Hilfsorganisationen Medizinische Hilfe für Kinder aus Gaza gescheitert
Rund 40 Einrichtungen hatten sich bereit erklärt, Kinder aus Gaza in Deutschland zu behandeln und die Kosten dafür zu übernehmen. Doch das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium haben Sicherheitsbedenken.
Ende Januar wurde Karim von einer Rakete getroffen. In Gaza erhielt der 14-Jährige erste Hilfe, doch für die weitere Behandlung sollte er nach Deutschland gebracht werden. "Aus irgendeinem Grund verzögerten die deutschen Behörden meine Evakuierung", berichtet Karim.
Mitte Mai wurde dann Karims Bein amputiert. Danach verschlechterte sich sein Gesundheitszustand rapide, erzählt seine Mutter Nevin: "Mein Sohn verlor an Gewicht von 45 auf 25 Kilogramm, und ich hatte keine Hoffnung mehr, dass es ihm wieder besser gehen würde." Ein wenig hat Karim sich mittlerweile von der Amputation erholt, doch er hofft weiterhin auf eine Behandlung in Deutschland, um eine Beinprothese zu erhalten.
Karim hofft noch, dass er in Deutschland eine Beinprothese bekommen kann.
Kostenübernahme durch Krankenhäuser
Die Uniklinik Bonn hatte sich bereit erklärt, Kindern wie Karim zu helfen. In Bonn sollte ein 11-Jähriger aus dem Gazastreifen mit einer Explosionsverletzung behandelt werden. "Die Kosten belaufen sich schnell auf über 100.000 Euro. Es ist davon auszugehen, dass nicht nur die chirurgische Versorgung, sondern auch die intensivmedizinische Betreuung immense Kosten verursacht."
"All das hätte die Uniklinik übernommen", sagt Jan Wynands. Als plastischer Chirurg hat er gemeinsam mit Hilfsorganisationen und Kollegen deutschlandweit dafür gekämpft, rund 32 Kinder von Gaza nach Deutschland zu bringen. Vor Ort im Gazastreifen sei es nur bedingt möglich, komplexe Verletzungen zu behandeln. Deshalb entstand der Plan, einige Kinder nach Deutschland zu holen.
Hilfsorganisationen wie die Kölner "Refugees Foundation" hatten sich zusammen mit anderen NGOs und der Deutschen Gesellschaft für plastische Chirurgie monatelang für die medizinische Hilfe dieser Kinder eingesetzt. Sie organisierten Spendengelder für Flüge, Visaanträge und die vollständige Kostenübernahme der Krankenhäuser. Doch letztendlich wurde die Aktion vorerst gestoppt, da das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium die Einreise einer Begleitperson pro Kind nicht unterstützten.
Medizinische Katastrophe im Gazastreifen
Wynands war selbst zuletzt im Februar und März im Gazastreifen und half dort als Arzt im Krankenhaus aus. Die Situation vor Ort sei katastrophal, genauso wie man es aus Bildern und Videos aus den Medien kenne. Auf den Krankenhausfluren würden viele Menschen Zuflucht suchen.
"Es ist natürlich sehr bewegend, Kinder zu behandeln, die Familienangehörige verloren haben oder selbst so schwer verletzt sind, dass sie zum Beispiel erblindet sind. Da bleibt wenig Raum für Hoffnung und Perspektive", sagt Wynands.
Jan Wynands (links) und ein weiterer Arzt besprechen sich.
Hilfsaktion scheitert an Sicherheitsbedenken
Und dennoch stellte sich die Bundesregierung gegen eine Einreise der Kinder - genauer: gegen die Einreise von Mutter oder Vater der zum Teil sehr jungen Kinder.
Aus Regierungskreisen heißt es: "In den letzten Monaten haben Sicherheitsprüfungen im Gaza-Kontext deutlich gemacht, dass extremistische Einstellungen - etwa unter dem Gesichtspunkt der Hamas-Mitgliedschaft oder als deren möglicher Sympathisant - vorkommen können. Ein mögliches Risiko stellen dabei auch Personen dar, die zu einem späteren Zeitpunkt einen Anspruch auf Familiennachzug geltend machen könnten."
Daniela Neuendorf von der "Refugees Foundation" sieht das sehr kritisch: "Mir ist einfach unerklärlich, warum andere Länder das hinkriegen und wir in Deutschland daran kapitulieren, irgendwie 20 Kinder mit Begleitpersonen zu holen für drei Monate." Sie beklagt, dass auf dem Rücken dieser Kinder Politik gemacht werde. Auch andere europäische Länder wie Italien würden Kinder aus Gaza mit Begleitpersonen aufnehmen.
Daniela Neuendorf von der "Refugees Foundation" beklagt, dass auf dem Rücken der Kinder aus Gaza Politik gemacht werde.
Einreise ohne Begleitperson wäre möglich
Die Ministerien erklären, dass eine Einreise zur Behandlung in Deutschland für Kinder unter zwölf Jahren möglich sei, "wenn diese ohne Begleitpersonen mit Ausnahme von medizinischem Personal erfolgen kann". Doch die Hilfsorganisationen und Ärzte lehnen ab, dass die Kinder alleine reisen.
Doktor Jan Wynands sagt: "Wir wollen die Kinder mit all ihren Leiden, die sie mittragen, nicht noch zusätzlich traumatisieren in einem völlig fremden Kulturkreis. Es ist für uns grundsätzlich notwendig, dass eine Begleitperson dabei ist, die das Kind emotional unterstützt und wichtige, oft lebenswichtige Entscheidungen mit trifft."
Noch haben die deutschen Organisationen und Krankenhäuser die Hoffnung, dass ihre Hilfsaktion nicht final gescheitert ist. Denn die Ministerien beraten weiter, ob doch in Ausnahmefällen eine Einreise von Begleitpersonen realisiert werden kann. Die Verhandlungen mit den deutschen Behörden laufen nun seit einigen Monaten und in der Zeit hat sich die Liste der Kinder, die evakuiert werden sollen, immer wieder verändert. Die Hilfsorganisationen beklagen, dass einige der Kinder bereits verstorben seien.