Rechte von Transmenschen Bundestag beschließt Selbstbestimmungsgesetz
Es war eine emotionale Debatte, am Ende stimmte aber eine klare Mehrheit des Bundestags für das Selbstbestimmungsgesetz. Damit können Transmenschen einfacher ihren Geschlechtseintrag beim Standesamt ändern lassen.
Der Geschlechtseintrag einer Person kann beim Standesamt künftig deutlich einfacher geändert werden. Mehrheitlich stimmte der Bundestag für das Selbstbestimmungsgesetz. Für trans- und intergeschlechtliche Menschen sowie Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen, wird die Änderung des Geschlechtseintrags damit ein bloßer Verwaltungsakt.
Das bisherige Transsexuellengesetz aus dem Jahr 1980 hatte vorgesehen, dass Betroffene für eine Änderung des Geschlechts- oder Vornamenseintrags zwei psychologische Gutachten einreichen müssen. Am Ende entschied dann das zuständige Amtsgericht. Teile der Vorschriften wurden aber inzwischen vom Bundesverfassungsgericht verworfen.
In namentlicher Abstimmung votierten 374 Abgeordnete für das Gesetz. 251 stimmten mit Nein, elf Parlamentarier enthielten sich. Der Bundesrat muss dem Selbstbestimmungsgesetz nicht zustimmen.
Auch Kinder können Geschlechtseintrag ändern
Auch für Minderjährige kann künftig der Geschlechtseintrag geändert werden. Künftig können volljährige transsexuelle, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen mit einer einfachen Erklärung beim Standesamt die gewünschten Änderungen beim Geschlechtseintrag erreichen. Bei Kindern unter 14 Jahren sollen die Eltern die nötige Erklärung beim Standesamt einreichen können - nicht aber gegen den Willen des Kindes. Ab dem Alter von fünf Jahren muss das Kind dabei zustimmen. Jugendliche ab 14 Jahren können dies selbst tun, allerdings nur mit Einverständnis der Eltern. In beiden Fällen ist aber eine Erklärung über eine vorherige Beratung notwendig.
Eine Begrenzung, wie oft der Geschlechtseintrag geändert werden kann, gibt es nicht. Allerdings soll es eine Sperrfrist von einem Jahr geben - erst danach ist eine erneute Änderung möglich. Theoretisch kann ein Mensch also jedes Jahr seinen Geschlechtseintrag ändern.
Kritik von Union, AfD und BSW
Insbesondere die Möglichkeit für Minderjährige, ihren Geschlechtseintrag zu ändern, kritisierte die Union. Die Schutzfunktion des Staates gegenüber Kindern und Jugendlichen werde vernachlässigt, sagte die CDU-Abgeordnete Mareike Lotte Wulf. Zudem werde möglichem Missbrauch nichts entgegengesetzt.
Kritik am Gesetz kam auch von der AfD, die das Gesetz als "ideologischen Unfug" geißelte sowie dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). "Das Geschlecht wird von einer biologischen Tatsache zu einer Frage der Gemütsverfassung", sagte Sahra Wagenknecht.
Erregt geführte Debatte
Zu Beginn der Debatte und nach der Rede von Wagenknecht mahnte Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke), die die Sitzung leitete, zu Respekt und Sachlichkeit in der von vielen besonders erregt geführten Debatte. Redner und Rednerinnen der Koalition stellten die Rechte der Minderheit der trans- und intergeschlechtlichen Menschen in den Mittelpunkt. Die FDP-Abgeordnete Katrin Helling-Plahr erinnerte daran, dass Teile des bisherigen Transsexuellengesetzes - das Gutachten zur Voraussetzung einer Änderung des Geschlechtseintrags macht - bereits in der Vergangenheit vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig kassiert worden waren.
Das bisherige Gesetz habe "über 40 Jahre lang viel Leid verursacht", sagte der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne). Als Beispiele nannte er unter anderem "Sterilisierungen, Scheidungen und psychiatrische Begutachtungen". Lehmann betonte: "Nur weil Menschen so anerkannt werden wollen, wie sie nun mal sind - heute machen wir damit endlich Schluss."
Frauenhäuser haben weiterhin Hausrecht
Auf medizinische Eingriffe zur Geschlechtsangleichung hat das Gesetz keine Auswirkung. Dafür gelten eigene Regelungen und Leitlinien. In besonderen Schutzräumen für Frauen, etwa Frauenhäusern, gilt weiter das Hausrecht - die Verantwortlichen entscheiden selbst, wer Zutritt erhält, um ein sicherer Ort zu bleiben.
Für die Änderung des Geschlechtseintrags muss die entsprechende Erklärung beim Standesamt angemeldet werden. Nach einer dreimonatigen Wartefrist kann sie dann abgegeben werden und wird wirksam. Das neue Gesetz tritt am 1. November in Kraft. Schon ab August sollen aber Anmeldungen für die Änderung des Geschlechtseintrags möglich sein, die dann mit Inkrafttreten bereits wirksam werden können.
Die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, bezeichnete das Gesetz als "großen gesellschaftlichen Fortschritt". Es helfe einer kleinen Minderheit, für die allermeisten Menschen ändere sich derweil nichts.