Jahrestag des Hamas-Massakers Scholz fordert Waffenstillstand in Nahost
Bundeskanzler Scholz hat vor dem Jahrestag des Massakers in Israel die Hamas verurteilt - und fordert einen Waffenstillstand sowie eine Zwei-Staaten-Lösung. Außenministerin Baerbock hatte zuvor die deutsche Solidarität mit Israel bekräftigt.
Vor dem Jahrestag des Terrorangriffs der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 hat Bundeskanzler Olaf Scholz einen Waffenstillstand und eine Zwei-Staaten-Lösung zur Befriedung des Nahen Ostens gefordert. Die Bundesregierung setze sich "weiterhin beharrlich für einen Waffenstillstand ein, der jetzt endlich zustande kommen muss", sagte Scholz im Videoformat "Kanzler kompakt".
Gleichzeitig räumte er mit Blick auf die militärische Auseinandersetzung in der Region ein: "An diesem ersten Jahrestag des Terrorangriffs der Hamas auf Israel scheinen Frieden oder gar Aussöhnung in Nahost so fern wie nie." Scholz sprach von der Gefahr eines Großkonflikts in der ganzen Region.
Seine Regierung stehe mit ihren internationalen Partnern in engem Kontakt, um eine weitere Eskalation zu verhindern, sagte Scholz über die jüngste Ausweitung des bewaffneten Konflikts auf den Libanon. Doch das sei in den zurückliegenden Tagen nicht einfacher geworden. "Deshalb bemühen wir uns gemeinsam darum, dass im Nahen Osten ein solcher Flächenbrand nicht ausbricht", erklärte Scholz.
Volle Solidarität "aller Anständigen in diesem Land"
Der Kanzler verurteilte außerdem einmal mehr das Vorgehen der Terrororganisation Hamas. Hamas-Terroristen hätten weit über 1.000 Israelis bestialisch ermordet und Hunderte andere in den Gazastreifen verschleppt. Seit einer Reise nach Israel im Oktober vergangenen Jahres gingen ihm diese Erlebnisse nicht mehr aus dem Kopf, schilderte der Kanzler.
Der Konflikt in Nahost betreffe auch viele Menschen in Deutschland, die mitlitten, ihre Sorgen ausdrückten oder Anteil nähmen. Den Jüdinnen und Juden in Deutschland gelte die volle Solidarität des Staats und "aller Anständigen in diesem Land", versicherte Scholz.
Baerbock verurteilt antisemitische Gewalt
Außenministerin Annalena Baerbock erklärte, es beschäme sie, dass sich seitdem Jüdinnen und Juden auch in Deutschland unsicherer fühlten und dass antisemitische Angriffe zugenommen hätten - und dass iranische Raketen gegen den Staat Israel auf deutschen Straßen gefeiert würden. "Wir stellen uns dem entgegen. Mit der ganzen Härte des Gesetzes", schrieb Baerbock in einem Gastbeitrag für die Bild am Sonntag.
An die Menschen in Israel gerichtet sagte sie: "Wir stehen an Eurer Seite. Eure Sicherheit ist Teil unserer Staatsräson. Israel hat ein Recht auf Selbstverteidigung. Gegen die Gewalt der Hamas genauso wie gegen den Raketen-Terror des Iran und der Hisbollah."
Der Zentralrat der Juden forderte angesichts der angekündigten anti-israelischen Proteste vor dem Jahrestag des Hamas-Massakers vom 7. Oktober einen realistischen Blick auf den verfestigten Judenhass in Deutschland. "Die Jubelszenen auf deutschen Straßen nach dem Raketenangriff des Iran auf Israel sowie die Aufrufe zu offenen Israel-Hass-Protesten rund um den Jahrestag des Hamas-Terrors vom 7. Oktober sind in unserer Gesellschaft", sagte Zentralrats-Präsident Josef Schuster dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.
Historiker kritisiert israelische Politik
Im Deutschlandfunk sprach der israelische Historiker Moshe Zimmermann von einer "Krise des Zionismus in Israel". Der Hamas-Angriff habe gezeigt, dass dieser sein Versprechen nicht eingehalten habe, Juden in Israel mehr Sicherheit zu ermöglichen als in der Diaspora. Statt sich um die Befreiung der israelischen Geiseln im Gazastreifen zu bemühen, habe Israels Führung Rache und Vergeltung gegen die Hamas zur obersten Priorität erhoben.
Der Historiker bezeichnete den gegenwärtigen Nahostkonflikt als Ergebnis einer Radikalisierung auf beiden Seiten. Für das Scheitern des Friedensprozesses macht er sowohl die "Hamas und andere Terroristen auf der palästinensischen Seite" als auch "Siedler und rechtsgerichtete Israelis" verantwortlich.
Mit Blick auf das Vorgehen gegen Antisemitismus in Deutschland kritisierte Zimmermann die Pläne für eine entsprechende Resolution des Deutschen Bundestages, über die seit knapp einem Jahr kontrovers diskutiert werden. Zimmermann sagte, die darin vorgesehene Definition des Antisemitismus berücksichtige nicht die Unterschiede zwischen antisemitischen Haltungen und Aussagen zur israelischen Politik.
Viele Kundgebungen zum Jahrestag
In Deutschland soll auf mehreren Kundgebungen an das Massaker erinnert werden. Es wird auch zu zahlreichen Demonstrationen aufgerufen, die gegen den Gaza-Krieg protestieren - vor allem in Berlin wird dabei mit antisemitischen Botschaften gerechnet. Die Polizei stellt sich zum Jahrestag am 7. Oktober auf einen Großeinsatz mit rund 2.000 Polizisten ein.
Bereits am Samstag erinnerten Hunderte Menschen in Berlin mit Kundgebungen und Demonstrationen an das Hamas-Massaker in Israel und den Gaza-Krieg. Weit über 1.000 Menschen beteiligten sich laut Polizei an einem propalästinensischen Protestzug, rund 650 kamen zu einer proisraelischen Versammlung. Ein Polizeisprecher bezeichnete den Verlauf insgesamt als "weitestgehend störungsarm". Auch in Hamburg versammelten sich Hunderte Demonstrierende und protestierten gegen den Gaza-Krieg.