Jahresbilanz 2010 - Linkspartei "Ein Jahr zum Abhaken"
Die Linkspartei kann auf kein gutes Jahr zurückblicken. Seit dem Rückzug von Zugpferd Lafontaine machte sie weniger politisch auf sich aufmerksam, dafür um so mehr mit Gehalts- und Personalaffären. Unzufrieden zeigt sich denn auch Linkspartei-Chef Ernst. In der Debatte über ein neues Grundsatzprogramm müsse die Diffamierung der eigenen Leute aufhören, forderte er in der "Süddeutschen Zeitung". Dabei lassen manche seiner Genossen kein gutes Haar an ihm.
Von Stephan Ueberbach, SWR, ARD-Hauptstadtstudio
Personalquerelen, Gehaltsaffären, verpasste Chancen. Nein, für die Linkspartei war das kein gutes Jahr. 2010 - am besten gleich abhaken. Seit dem Rückzug des Chefgenossen Oskar Lafontaine läuft es nicht mehr. Und dass der ehemalige Übervater mit der Lizenz zum Dauernörgeln aus seinem Alterssitz in Saarbrücken allen über den Mund fährt, die an der einzig wahren reinen linken Lehre zu kratzen wagen, macht die Sache nicht besser.
Im Gegenteil, denn in Lafontaines Schatten können seine Nachfolger einfach nicht gedeihen. Sie bleiben, was sie sind - und das ist: ziemlich blass.
Gesine wer?
Zwar müht sich Gesine - bitte wer? - Lötzsch nach Kräften, besonders auffällig geworden aber ist sie nicht, obwohl es an Steilvorlagen weiß Gott nicht mangelte.
Und Klaus Ernst? Der hat - immerhin - mit seinen üppigen Gehaltszulagen für eine unterhaltsame Sommerlochdebatte gesorgt. Seine Parteifreunde im Osten, die ihn ohnehin für einen Porsche fahrenden Gewerkschaftsmacho mit fatalem Hang zum Luxus halten, durften sich bestätigt fühlen. Und sogar der eigene Landesverband in Bayern droht dem Linkspartei-Chef gerade um die Ohren zu fliegen. Es geht um angeblich manipulierte Mitgliederzahlen, um Posten und Pöstchen, um schmutzige Machtkämpfe zwischen Ernst-kritischen Radikal-Linken und Ernst-treuen Realos vom Gewerkschaftsflügel.
Der Tag aber, an dem sich der Daumen über der Linkspartei endgültig gesenkt hat, war der 30. Juni. Und möglicherweise markiert dieses Datum sogar einen Wendepunkt in der noch jungen Geschichte dieser Partei - nämlich den Beginn ihres Niedergangs.
Die historische Chance vertan
Denn an diesem Mittwoch im hitzigen Berliner Sommer hat die Linkspartei eine historische Chance vertan. Die Chance, gemeinsam mit SPD und Grünen der taumelnden schwarzgelben Koalition den möglicherweisen entscheidenden Schlag zu versetzen.
Aber anstatt in einem Überraschungscoup Joachim Gauck im ersten Wahlgang zum Bundespräsidenten zu machen, verlegte sich die Partei einmal mehr auf ihre Paraderolle - als Partei der beleidigten Neinsager, weil sich Gysi, Lafontaine und Co. von Sigmar Gabriel und Jürgen Trittin überfahren fühlten. Aber mehr noch, weil sie den früheren Stasi-Jäger Gauck ihrer Ostwählerschaft nicht als Staatsoberhaupt zumuten konnten und wollten.
Von linken Blütenträumen
Und inhaltlich? Alles wie gehabt: Hartz IV, Afghanistan, Rente mit 67 - die Klassiker eben, mehr nicht. Und in der Programmdebatte reifen linke Blütenräume, eifrig gedüngt von ideologischen Fundis, damit Koalitionen möglichst unmöglich bleiben. 2005 gab es mal einen Wahlaufruf für die Linkspartei von prominenten Künstlern, Wissenschaftlern und Sportlern. Die Überschrift: "Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist." Die aber ist weit und breit nicht in Sicht.