Wagenknecht und ihr BSW Lässt sie regieren - oder nicht?
Das BSW könnte in Thüringen, Sachsen und Brandenburg mitregieren. Nach vielen Gesprächen zeichnet sich allmählich Konkretes ab. Doch ob Parteichefin Wagenknecht tatsächlich dazu bereit ist, bleibt unklar.
Um seine Unterstützer zu informieren, verschickt das Bündnis Sahra Wagenknecht zweimal im Monat einen Newsletter. Wer den am Dienstagabend öffnete, las von Wagenknechts TV-Duell mit AfD-Chefin Alice Weidel, der Sitzungswoche im EU-Parlament und der "Friedensdemo" in Berlin. Die aktuelle Lage in Thüringen, Sachsen und Brandenburg blieb unerwähnt. War da was?
Ja, denn die Wagenknecht-Partei wird der Macht in den drei Bundesländern in dieser Woche ein ganzes Stück näher kommen. In Sachsen und Thüringen kann sie gemeinsam mit CDU und SPD erste Papiere vorlegen. Auch in Brandenburg laufen die Gespräche laut offizieller Beteuerungen gut. Doch Sahra Wagenknecht und die Bundespartei scheinen sich mit all dem schwer zu tun, wie nicht nur der kleine Newsletter zeigt.
Scheitern bleibt möglich
Am Dienstag gibt Wagenknecht als Vorsitzende der Bundestagsgruppe ein Pressestatement. Journalisten fragen nach den Gesprächen in den Ländern. Wagenknecht stellt erstmals öffentlich ein Scheitern in den Raum. Sie sagt: "Wahrscheinlich werden wir unterschiedliche Entscheidungen fällen." Das liege in der Natur der Sache.
Erst kurz zuvor hatte sie mit den Abgeordneten aus dem Bundestag und den drei Landtagen zusammengesessen. Die Eindrücke von vor Ort waren also frisch.
Wagenknecht spricht über Widerstände in der sächsischen CDU gegen eine Zusammenarbeit mit ihrer Partei. Von "Partnern, die nicht wollen" und die sich untereinander ohne das BSW absprechen würden. Einfacher sei das hingegen in Brandenburg, wo man nur mit der SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke verhandle.
Es wirkt, als könnten die Gespräche in Erfurt oder Dresden, vielleicht sogar in beiden Landeshauptstädten, platzen. In Potsdam hingegen sitzt das BSW bald in der Regierung. So zumindest das Bild, das Wagenknecht abseits der Kameras auch nochmal mit einem Lob für den Brandenburger Landeschef Robert Crumbach schärft.
Tatsächlich haben zu diesem Zeitpunkt sowohl die Thüringer als auch die Sachsen ein erstes Papier fast fertig. Die Vertreter aus Brandenburg hatten am Dienstag hingegen intern Sorgen geäußert, eine Regierungsbeteiligung könnte zu früh kommen. Der Landesverband hat im Vergleich die dünnste Personaldecke und war als letzter der drei gegründet worden. Bei der Landtagswahl hatte das BSW sogar auf das Aufstellen von Direktkandidaten verzichtet, um sich nicht zu überfordern.
Harte Verhandlungen
Die Koalitionsbildung mit CDU und SPD ist allerdings aus Sicht mancher Parteimitglieder nicht alternativlos. Die Sitzverteilung in den Landtagen eröffnet verschiedene Möglichkeiten. In Thüringen haben BSW und AfD dort zusammen mehr als die Hälfte der Stimmen, in Brandenburg genau die Hälfte. In der Theorie könnte die Wagenknecht-Partei dadurch mal eine Minderheitsregierung mittragen, mal sich die Unterstützung der AfD für eigene Projekte holen.
Das hätte den Vorteil, dass man als eigenständige Partei wahrgenommen wird, die nicht gleich mit den Etablierten kuschelt. Ohne Gespräche mit der extrem rechten AfD ginge das auf Dauer aber wohl kaum. Genau eine solche Zusammenarbeit hat das BSW jedoch ausgeschlossen.
Teile der Partei wollen tunlichst den Eindruck vermeiden, dass das BSW um jeden Preis regieren will - allen voran Sahra Wagenknecht selbst. Sie sagt seit Wochen, dass eine "schlechte Regierung" nur der AfD helfen würde. Eine schlechte Regierung, das wäre aus ihrer Sicht eine, die sich nicht ihre Forderungen anschließt: ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine, ein Nein zur Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland, mehr diplomatische Initiativen.
Knackpunkt Außenpolitik
Immer wieder betont die Berliner Parteispitze in diesen Tagen die Rückmeldungen aus der Bevölkerung. Von E-Mails und Briefen ist die Rede. Unterstützer würden auf die reine Lehre pochen, auf kein Zurückweichen bei den außenpolitischen Positionen. Wagenknecht, die sonst andere Parteien vor sich hertreibt, gibt jetzt selbst die Getriebene.
Dass eine neue Partei nicht in Jubel ausbricht, sobald sie die Aussicht auf eine Handvoll Ministerien in drei Ländern hat, ist nachvollziehbar. Niemand will sich bei den Verhandlungen über den Tisch ziehen lassen. Es ist nur gut und recht, den Preis für die eigene Sache möglichst hoch zu treiben. Taktik eben.
Allerdings wird bei Sahra Wagenknecht bis heute nicht klar, ob sie ein Mitregieren tatsächlich ernsthaft in Erwägung zieht. Oder ob nicht doch jene Skeptiker recht behalten werden, die mutmaßen, Wagenknecht wolle sich auf dem Weg zur Bundestagswahl durch die Verhandlungen profilieren - und am Ende CDU und SPD das Scheitern anheften.
Schmerzen müssen sie jedenfalls die Zwischenstände aus Dresden und Erfurt. Diese enthalten noch kein klares Bekenntnis in ihrem Sinne. Im sächsischen Papier wird lediglich die "Wahrung des Friedens in Europa" als drängende Frage der Zeit genannt. In Thüringen wollen die Parteien dem "Thema Frieden" in weiteren Verhandlungen "mit einer Standortbestimmung im Rahmen einer möglichen Präambel gemeinsam begegnen". Damit ist zumindest festgelegt, dass eine Koalition sich in dieser Frage offensiv positionieren müsste. Waffenlieferungen und -stationierung werden aber gar nicht erwähnt.
Interessenausgleich im BSW
In einem Gespräch am Donnerstag zwischen Thüringen und Berlin zeigt sich die Parteispitze unbeeindruckt. Das Magazin Stern berichtet gar von offenem Streit. Das Verhandlungsteam pocht aber darauf, dass die Entscheidung über weitere Gespräche vom eigenen Landesvorstand getroffen werden soll. Ob dem in der Mehrheit die bisherigen Formulierungen ausreichen, dazu will niemand Prognosen abgeben.
Bei der Vorstellung des Thüringer Sondierungspapiers spricht am Freitagmittag Tilo Kummer für das BSW. Kummer ist der Parlamentarische Geschäftsführer der Landtagsfraktion. Er spricht über die "Friedensfrage" und dass das BSW hier klare Aussagen braucht. Dann verweist er auf die anstehenden Haushaltsberatungen und die Wahl einer Landesregierung in Thüringen. "Wir können uns keine Staatskrise leisten", mahnt Kummer.
So geht es am Ende vor allem für das BSW um einen Interessenausgleich. Was ist gut für die Länder, die stabile Regierungen gegen die AfD brauchen und denen die Politiker vor Ort verpflichtet sind. Und was ist gut für Sahra Wagenknecht, die ihre Partei als Gegenpol zur etablierten Politik wieder in den Bundestag führen will. Beides kann sich ausschließen, muss es aber nicht.
Der Landesvorstand Sachsen entscheidet schließlich für weitere Gespräche mit CDU und SPD. Die Thüringer hingegen kommen zu einem anderen Schluss. Der Landesvorstand will noch einmal nachverhandeln, bevor die nächste Stufe der Gespräche eingeleitet werden kann.
Es müsse schon jetzt eine Formulierung geeint werden, wie die Ablehnung von Waffenstationierung und der Einsatz für Frieden in einem Koalitionsvertrag festgehalten werden können, heißt es am Freitagabend. Sonst geht es nicht weiter. Das dürfte auch in Wagenknechts Interesse sein.