AfD und Sahra Wagenknecht Zwei, die einander noch brauchen
Die AfD und Sahra Wagenknecht wollen andere Parteien vor sich hertreiben - auch gemeinsam. Ein TV-Duell der BSW-Chefin mit Alice Weidel nimmt den kommenden Wahlkampf vorweg.
Eigentlich könnte alles so einfach sein. Die Wähler ihrer Partei und die der AfD wollten doch "Veränderung", sagt Sahra Wagenknecht. Eine der beiden Parteien stehe dieser Veränderung aber im Weg, meint sie dann - mit einem Bein im "Neonazi-Sumpf" nämlich.
Es ist einer der Schlüsselmomente des Duells, zu dem der TV-Sender Welt Wagenknecht und die AfD-Chefin Alice Weidel am Mittwochabend eingeladen hat. Denn auch Weidel ist gekommen, um "lagerübergreifend" über einen "politischen Wandel" zu reden. Ein bisschen Abgrenzung, viel Gemeinsamkeiten, so lässt sich die einstündige Debatte umschreiben, die das Verhältnis zweier Parteien nachzeichnet, die einander brauchen. Es ist ein Vorgeschmack auf den kommenden Bundestagswahlkampf.
Populistische Flügelzange
Weidel und die in Teilen rechtsextremistische AfD, Wagenknecht und das BSW - sie werden eine populistische Flügelzange bilden, die weniger einander als vielmehr die Union und die Ampel-Parteien angreifen wird. Beide setzen auf eine Erzählung, dass eine wachsende Zahl von Menschen sich von der etablierten Politik abwende. Beide verstärken viele Forderungen der jeweils anderen.
Und beide haben ein Interesse daran, die Zuspitzung um das Kanzleramt aufzubrechen. Alice Weidel will sich genau wie Friedrich Merz, Olaf Scholz und Robert Habeck für das Kanzleramt bewerben. Es wäre das erste Mal, dass die AfD diesen Schritt geht. Weidel hat dafür die Unterstützung von Co-Chef Tino Chrupalla und mittlerweile auch so etwas wie eine Hausmacht in der Partei. Wagenknecht wiederum wollte eine solche Kandidatur zuletzt nicht ausschließen. Da kommt ein persönliches Duell gelegen.
Als Wagenknecht das Bündnis Sahra Wagenknecht gründete, wollte sie eine "seriöse Alternative" für alle bieten, die aus ihrer Sicht nur aus Verzweiflung die AfD wählten. Damals, zum Jahreswechsel, stand die AfD in bundesweiten Umfragen bei über 20 Prozent.
Gespräche mit CDU und SPD für Wagenknecht "ein Dilemma"
Am Ende hat das BSW wohl bei der Europa- und den Landtagswahlen die Zugewinne der AfD etwas abgeschwächt. Das populistische Lager aber ist gewachsen. Heute steht die AfD wieder knapp unter den Umfragewerten aus dem Winter. Die neue Konkurrenz kommt auf sechs bis acht Prozent, verhandelt jedoch anders als die AfD über mögliche Koalitionen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Ein "Dilemma" nennt es Wagenknecht, dort mit CDU und SPD reden zu müssen.
Mit Weidel ist sie sich hingegen in vielen Punkten einig. Dass die Ampel-Regierung auf sämtlichen Politikfeldern versage etwa. Oder dass die Migration begrenzt werden müsse und die Ukraine sofort mit Russland über einen Frieden verhandeln sollte.
Manches fällt dabei an diesem Abend unter den Tisch. So erwecken sowohl Weidel als auch Wagenknecht den Eindruck, dass die Ukraine kurz vor einem Eintritt in die NATO gestanden habe. Dabei hatte Bundeskanzler Olaf Scholz im Februar 2022 Wladimir Putin bei einem Besuch in Moskau das Gegenteil versichert. Wenige Tage später befahl Russlands Machthaber dennoch den Angriff auf den Nachbarn.
Die Abgrenzungen voneinander betonen Weidel und Wagenknecht hingegen gezielt. Wagenknecht hält Kürzungen beim Bürgergeld, wie sie die AfD will, für unsozial. Weidel verspricht Steuersenkungen und verteidigt die Schuldenbremse gegen Wagenknecht.
Eine "sehr differenzierte Sicht"
Eine tatsächliche Konfrontation suchen sie nur an zwei Stellen. Wagenknecht greift Weidel für Björn Höcke an, den Mann, der die AfD laut Wagenknecht in den erwähnten "Neonazi-Sumpf" zieht. Der Thüringer AfD-Chef hatte Ende 2023 die Verdrängung eines großen Teils der Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland in den Raum gestellt. "Diese Art Ressentiments zu schüren, das darf man nicht machen", sagt Wagenknecht. Weidel würde so etwas als "charmantes Gesicht an der Spitze" kaschieren.
Weidel hatte einst ein Parteiausschlussverfahren gegen Höcke unterstützt, heute tritt sie gemeinsam mit ihm auf. Um eine Antwort, woher ihr Sinneswandel kam, drückt sie sich mehrfach.
Wagenknecht erwidert zumindest Weidels zentralen Vorwurf, früher einmal überzeugte Kommunistin gewesen zu sein. Diese Zeit "läge 20 Jahre zurück", so das langjährige Mitglied der "Kommunistischen Plattform" in der PDS und Linkspartei.
Weil beide Frontfrauen aber hoffen, in der Wählergunst noch mehr zulegen zu können und gleichzeitig auf die Wähler der jeweils anderen schielen, gehen sie auch an diesem Abend wieder betont freundlich miteinander um. Wagenknecht spricht Weidel wie schon in der Vergangenheit vom Vorwurf des Rechtsextremismus frei. Weidel bescheinigt Wagenknecht im Gegenzug eine "sehr differenzierte" Sicht der Dinge.
Wer Wagenknecht an diesem Abend genau zuhört, muss fast zu dem Schluss kommen, dass eigentlich nur Höcke einer Koalition von AfD und BSW im Wege steht. Doch tatsächlich ist die Sache komplizierter.
Wo beide Parteien zusammen stimmen
Während in der AfD das BSW nach außen hin als "neueste Altpartei" geschmäht wird, gibt es intern ein strategisches Interesse an einer Zusammenarbeit. Im BSW wiederum sind nur wenige wirklich aufgeschlossen dafür, zumindest was Koalitionen angeht. Im Thüringer Landtag hat die neue BSW-Fraktion gerade tatkräftig daran mitgewirkt, dass der versuchte Zugriff der AfD auf das Amt des Landtagspräsidenten abgewehrt wurde. So kommen sich beide Parteien vorerst nur bei einzelnen Projekten näher.
Noch am Vortag des TV-Duells hatte Wagenknecht berichtet, dass sich nahezu die gesamte AfD-Bundestagsfraktion einem BSW-Antrag für die Einsetzung eines Corona-Untersuchungsausschusses angeschlossen habe. Auch wenn das nötige Quorum damit nicht erreicht ist: Die Stimmen nimmt das BSW gerne. Den Antrag einiger Abgeordneter verschiedener Fraktionen für ein AfD-Verbotsverfahren nannte Wagenknecht bei der Gelegenheit "den dümmsten Antrag des Jahres".
Ähnliches zeichnet sich in Sachsen ab. Hier kommt der Landtag am 25. Oktober zu einer Sondersitzung zusammen. Das BSW hat hier ebenfalls einen Corona-Untersuchungsausschuss beantragt, die AfD allerdings auch. Anders als das BSW hätte ihre Fraktion genug Abgeordnete, um den Ausschuss alleine einzusetzen.
Wagenknechts Leute sind hingegen auf die Stimmen anderer angewiesen und haben mit dem Antrag die möglichen Koalitionspartnern von CDU und SPD überrumpelt. Denkbar ist auch, dass das BSW am Ende den AfD-Antrag mit unterstützt. Bislang hat die Fraktion noch keine Entscheidung getroffen, wie sie vorgehen will.