Untergetauchte Ex-RAF-Terroristen Die Suche könnte länger dauern
Die Polizei sucht in Berlin weiterhin mit Hochdruck nach den beiden mutmaßlichen RAF-Terroristen Staub und Garweg. Eine heiße Spur gibt es aktuell wohl nicht mehr.
Es ist eine Terroristenjagd mitten in der Hauptstadt. Die Suche nach Burkhard Garweg konzentriert sich im Moment auf Berlin-Friedrichshain. Die Ermittlungen werden weiterhin von der Staatsanwaltschaft Verden und dem Landeskriminalamt Niedersachsen durchgeführt, das Bundeskriminalamt und die Berliner Polizei unterstützen.
Der Generalbundesanwalt, in dessen Zuständigkeit die möglichen früheren RAF-Taten der Gesuchten liegen, beobachtet aus der Ferne.
Dynamische Lage
Wie dynamisch die Lage ist, bekommt die Öffentlichkeit hautnah mit: Nahezu täglich durchsuchen Spezialkräfte Wohnungen. Zuletzt in der Corinthstraße, wo eine Person angetroffen wurde, bei der es sich jedoch nicht um den gesuchten Garweg handelte. Zuvor wurde eine Wohnung in der Grünberger Straße in Berlin-Friedrichshain durchsucht, in der jedoch niemand zugegen war. Bereits am Sonntagmorgen waren Spezialkräfte in eine Bauwagensiedlung am Markgrafendamm eingerückt, ein Wohncontainer wurde gestürmt.
Burkhard Garweg soll hier zumindest zeitweise gewohnt haben. Mehrere Personen, die in der Siedlung leben, wurden befragt. Ob man dort wusste, wer sich hinter "Martin" verbirgt, wie Garweg sich nannte, und ihn gedeckt hat, bleibt bisher unklar. Der Container wurde zur kriminaltechnischen Untersuchung abtransportiert. Durch eine intensive Tatortarbeit, also unter anderem das präzise Durchsuchen, erhoffen sich die Ermittler neue Hinweise. Die Wohnung von Daniela Klette sei für die Spurensicherung "ein Eldorado" gewesen, habe also viele neue Erkenntnisse geliefert, so ein Ermittler.
Gute Spurenlage
Auch die vielen Einsätze der vergangenen Tage machen deutlich, dass es eine gute Spurenlage gibt, die die Ermittler nun sukzessive abarbeiten. Darunter sind die aktuellen Fotos von Burkhard Garweg, die in der vergangenen Woche veröffentlicht wurden. Allerdings halten sich die Ermittler aus nachvollziehbaren Gründen gegenüber der Öffentlichkeit bedeckt, um den beiden Flüchtigen keine Anhaltspunkte zu geben, welche konkreten Spuren man verfolgt.
Zuletzt gab es heute einen Einsatz rund um ein Wohnmobil auf der Autobahn A5 bei Darmstadt. Doch auch dieses Mal gab es keine Festnahmen. Die ganz heißen Spuren sind fürs erste wohl abgearbeitet, ohne dass man die beiden Flüchtigen hätte festnehmen können. Daniela Klette, die seit ihrer Festnahme in Untersuchungshaft sitzt, äußert sich nach Informationen von ARD-Hauptstadtstudio und SWR bisher nicht. Wurde sie zunächst von einer Anwältin aus Verden vertreten, soll sich inzwischen ein bekannter Verteidiger für linksextremistische Verfahren bei der Justiz gemeldet haben.
Festnahme im Wohnblock
Klette war vor einer Woche in einer Wohnung im fünften Stock eines Wohnblocks in Kreuzberg festgenommen worden. Sie lebte dort unter falschem Namen, ihre Nachbarn kannten sie als "Claudia Ivone". Für Irritationen sorgt seitdem, dass sie ein scheinbar normales Leben führte: in einer Capoeira-Gruppe zwischenzeitlich Sport trieb, am "Karneval der Kulturen" teilnahm, Mathe-Nachhilfe gab, auch ein Facebook-Profil hatte.
Doch ganz so normal, wie es jetzt den Anschein hat, dürfte ihr Leben nicht gewesen sein. Klette dürfte, wie die beiden Männer des abgetauchten Trios auch, permanent mit der Angst gelebt haben, jederzeit auffliegen zu können. Dazu gehört, ständig eine Risikoabwägung vorzunehmen, was man bedenkenlos tun kann und was eben nicht. Dazu gehört auch, im unmittelbaren Wohnumfeld nicht Misstrauen zu erregen, indem man völlig zurückgezogen lebt. Unklar ist auch, wie beispielsweise Arztbesuche bewerkstelligt wurden. Dass ihre Wohnsituation alles andere als normal war, wird dadurch deutlich, dass sie sogar schwere Waffen wie eine Panzerfaust zu Hause versteckte.
Außer Frage steht, dass das Trio hochprofessionell vorgeht. Anders ist nicht zu erklären, wie es den Dreien gelungen ist, mehr als 30 Jahre lang abzutauchen. Gesucht werden sie aktuell vor allem wegen der Raubüberfälle, die sie begangen haben sollen, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Diese Ermittlungen werden von der Staatsanwaltschaft Verden geführt. Doch auch die Bundesanwaltschaft führt eine Reihe von Verfahren, in denen die drei Gesuchten die Beschuldigten sind. Durch aktualisierte Haftbefehle, zuletzt 2018, wurde die Verjährung teilweise unterbrochen. Soweit es um den Vorwurf des (versuchten) Mordes geht, ist eine Verjährung ohnehin ausgeschlossen.
Wie viele Prozesse wird es geben?
Spannend wird die Frage werden, ob sich Daniela Klette in einem oder in zwei Verfahren vor Gericht verantworten muss. Denkbar ist, dass es wegen der Raubüberfälle aus der Zeit nach der RAF eine Anklage von der Staatsanwaltschaft Verden vor dem Landgericht Verden gibt und die RAF-Taten von der Bundesanwaltschaft in einem zweiten Prozess vor einem Oberlandesgericht verhandelt werden.
Denkbar wäre jedoch auch, dass die Bundesanwaltschaft das Verfahren insgesamt an sich zieht und auch die späteren Taten in einem Prozess mit behandelt. Hinter den Kulissen ist zu hören, dass diese Frage noch nicht abschließend entschieden ist. Der Fokus liege jetzt erst einmal darauf, möglichst alle drei zu erwischen und dann einen "Kassensturz" zu machen, sagt ein Ermittler.