
Regierungsbildung Was braucht es, um Minister zu werden?
Was muss man als Minister mitbringen? Ist Fachwissen entscheidend oder eher ein Gespür dafür, was die Menschen bewegt? Ein starkes Rückgrat sei definitiv wichtig, sagt der scheidende Verkehrsminister Wissing.
Wahrscheinlich wäre es nicht schlecht, wenn ein Finanzminister auch rechnen könnte. Wichtiger ist aber: Der Minister muss inhaltlich entscheiden, also wofür das Geld ausgegeben werden soll.
Er muss vor allem seine politischen Ziele durchsetzen können, meint der Politologe Uwe Jun von der Uni Trier: "Ein Minister soll politische Führung ausüben, d.h. er muss in der Lage sein, einen Apparat zu führen und er muss seine politischen Vorstellungen, die seiner Partei, die der Koalition am Ende in einem Ministerium umsetzen."
Auch fachfremde Minister können glänzen. Als Beispiel gilt Boris Pistorius, der sich im recht schwierigen Verteidigungsministerium einen guten Ruf erarbeitet hat. Seine Vorgängerin ist damit gescheitert. Christine Lambrecht war allerdings zuvor als Justizministerin durchaus geachtet - hier konnte sie ihr Fachwissen als Rechtsanwältin einbringen.
Welche Rolle spielt Fachwissen?
Fachwissen ist wichtig, sagt zumindest einer, der viel Fachwissen mitgebracht hat: Karl Lauterbach, Arzt, Wissenschaftler und Gesundheitsminister. In einer ARD-Dokumentation charakterisierte er sich als Minister als Daten-, Informations- und Versteh-Freak, der auch als Minister noch nächtelang neueste Gesundheitsstudien gewälzt habe.
Lauterbach befürchtet, dass Minister ohne Fachwissen auch weniger kompetent entscheiden: "Der übliche Minister wird sich etwas anhören, nach dem Motto 'wenig sagen - schlau wirken' und kommt dann nachher auf den Abteilungsleiter zu und fragt: Was bringt uns am meisten? Und macht am wenigsten Ärger?"
So würde das dann auch entschieden. Die Fachkompetenz wird in die Abteilungsleiterebene delegiert. Das ist in den meisten Fällen die Regel - und ergibt oft auch Sinn. Erst recht, wenn neue Minister sich erst in ihr Ressort einarbeiten müssen.
"Wo sind die Probleme der Menschen?"
Ministerinnen und Minister sollten idealerweise noch etwas anderes mitbringen, etwas, das die Experten in den Abteilungen oft nicht haben: Ein Gespür dafür, was die Menschen zu diesem Thema umtreibt, sagt Verkehrsminister Volker Wissing: "Das Wichtigste was man können muss, ist wirklich zu begreifen: Wo sind die Probleme der Menschen, wie denkt die Mehrheit und wie kann ich dem Rechnung tragen? Das ist ganz wichtig man muss so eine Art Seismograph in sich haben."
Führungs- und Managerqualität sind entscheidende skills, die Minister mitbringen müssen, meint Wissing: "Man muss sehr schnell Probleme analysieren können. Man muss sehr schnell wissen, woran es liegt - aber man muss auch sehr schnell entscheiden können."
Widerstände im eigenen Haus
Es kann passieren, dass man sich gegen das eigene Haus durchsetzen muss. Denn die Beamten bleiben, die Minister wechseln - und manchmal ist der Apparat anderer Meinung als der Minister, sagt Politologe Uwe Jun: "Das kann für einen Minister zum Problem werden, gerade wenn 'Häuser', wie man so schön sagt, lange Zeit von einer anderen Partei geführt worden sind".
Minister sollten nach innen und auch nach außen Rückgrat zeigen, fordert Wissing - der das in seiner eigenen Ministerzeit zumindest recht glaubhaft exerziert hat und am Ende deswegen als parteiloser Minister dastand: "Viele schrecken zurück, weil sie sich schwer damit tun, Entscheidungen zu treffen, die auch Widerspruch auslösen, die einem vielleicht auch eine Schramme verursachen, die dem öffentlichen Ansehen schaden - aber wenn man das für richtig hält, dann muss man das tun."
"Man braucht ein dickes Fell"
Die Öffentlichkeit spielt für Minister eine zunehmend wichtige Rolle. Sie müssen in der Lage sein, richtig zu kommunizieren, sagt Politologe Jun: "Er oder sie steht ja stetig in Beobachtung und viele Erwartungen richten sich an die Ministerin oder den Minister - und wenn diese Erwartungen dann kommunikativ nicht erfüllt werden, dann steht er oder sie ziemlich schlecht da und macht sich schneller angreifbar."
Deswegen gibt es noch eine weitere Eigenschaft, die für das Ministeramt wichtig ist, meint Wissing: "Man muss sich in diesen Ämtern auch ein Stück weit schützen, man braucht ein dickes Fell, damit nicht alles, was einem begegnet, einen direkt ins Herz trifft und einen verletzt." Nicht zuletzt muss man in der Lage sein, zu verkraften, dass die viele Macht und die Wichtigkeit, die man als Minister spürt, nur geliehen ist - und nach vier Jahren von heute auf morgen auf jemand anderen übergehen kann.