Lauterbachs Homöopathie-Pläne Viel Wind um nichts?
Zu Jahresbeginn kündigte Gesundheitsminister Lauterbach an, Homöopathie als Kassenleistung zu streichen. Das zog teils laute Kritik nach sich. Nun ist der entsprechende Passus im Gesetzentwurf verschwunden.
Karl Lauterbach ist kein Politiker der kleinen Worte. Als Bundesgesundheitsminister packt er Dinge an, die andere vor ihm liegen gelassen haben - zumindest sagt der SPD-Politiker das gerne und oft von sich selbst. Anfang des Jahres machte er mit einem besonders heiklen Thema eine große Welle: der Homöopathie.
Seine Worte für den Tag hatte er sich gut zurechtgelegt, als er im Januar vor die Presse trat: Homöopathie ergebe als Kassenleistung keinen Sinn. Auch den Klimawandel könne man nicht mit "Wünschelruten bekämpfen", so Lauterbach. Die Grundlage der Politik müsse die wissenschaftliche Evidenz sein. Seine Schlussfolgerung: Die gesetzlichen Krankenkassen sollen homöopathische Leistungen künftig nicht mehr bezahlen.
Doch Worten müssen natürlich auch Taten folgen. In diesem Fall eine neue gesetzliche Regelung, die Homöopathie als Kassenleistung streicht. Vorgesehen hatte Lauterbach das im sogenannten Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG). Doch das geht seinem Ministerium allem Anschein nach nicht leicht von der Hand.
Passage aus Gesetzestext gestrichen
In einer früheren GVSG-Version vom Dezember 2023 heißt es: "Die Möglichkeit der gesetzlichen Krankenkassen, homöopathische und anthroposophische Arzneimittel sowie homöopathische Leistungen als zusätzliche Satzungsleistungen (…) anzubieten, wird gestrichen." Doch diese Passage ist im aktuellen Gesetzentwurf, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, nun wieder verschwunden, quasi wegradiert.
Warum der Rückzieher? "Nicht alle Koalitionspartner tun sich leicht mit dieser Regelung", so deutete Lauterbach kürzlich etwas schwammig in Richtung der Ampelpartner. Wen er genau meinte, sagte er nicht.
Die FDP positionierte sich allerdings wiederholt sehr klar. Auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios heißt es aus der Bundestagsfraktion: Wer homöopathische Mittel einnehmen möchte, könne das "auf eigene Kosten weiter tun". Jedoch befürworte man die Debatte um die Streichung: "Globuli und Co. auf Kosten der Solidargemeinschaft sind mit einer wissenschaftsbasierten Gesundheitspolitik nicht zu vereinbaren", sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus.
Sie fügte hinzu: Sie sei zuversichtlich, dass man sich "auch mit den Grünen einig werden" könne darüber, dass "evidenzbasierte Medizin immer der Maßstab für die Versorgung" sein müsse. Ein Seitenhieb - mindestens.
Bremste der grüne Koalitionspartner?
Waren es also die Grünen, die eingeknickt sind, und die nun Homöopathie als Kassenleistung wiederbeleben? Aus Partei und Fraktion kommen dazu nur wortkarge Antworten: "Die Federführung liegt beim Gesundheitsministerium", heißt es. Im Übrigen hätten sich die Grünen mit ihrem "Grundsatzprogramm" ja positioniert.
Genau dieses Programm ist aber ausweichend formuliert: Leistungen, deren "Wirksamkeit wissenschaftlich erwiesen" ist, müssten "von der Solidargemeinschaft übernommen" werden. Ob andere Therapien auch bezahlt werden können, lässt der Passus offen.
Klar ist: Die Grünen waren von Anfang an keine großen Verfechter der Reform. Die Einsparungen seien minimal, es sei eine "Debatte über Nebenschauplätze", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion, Janosch Dahmen, im Januar 2024.
Widerspruch etwa aus Baden-Württemberg
Vor allem das grüne Milieu im Südwesten rebellierte in den vergangenen Wochen: Baden-Württembergs grüner Gesundheitsminister Manfred Lucha kritisierte Lauterbachs Vorstoß als "scheinheilig". "Viele Menschen vertrauen der Homöopathie, weil sie offensichtlich gute Erfahrungen damit haben", sagte Lucha dem SWR. Die grüne Landesvorsitzende Lena Schwelling klagte schon 2022 über einen "Kreuzzug gegen die Homöopathie".
Für die Südwest-Grünen ist das wohl auch Standortpolitik: Große Hersteller haben ihren Sitz im Ländle, etwa WALA Heilmittel im schwäbischen Bad Boll. Der Schweizer Hersteller Weleda, der am Standort Schwäbisch Gmünd fast 1.000 Mitarbeiter beschäftigt, rief dazu auf, gegen Lauterbachs Pläne zu protestieren.
Die Homöopathie-Szene hat seit der Ankündigung, Globuli als Kassenleistung zu streichen, Druck gemacht auf die Politik: Eine Petition an den Bundestag sammelte seit Februar knapp 200.000 Unterstützer-Unterschriften. Homöopathie sei "beliebt und ausdrücklich gewünscht", heißt es darin. Der Ausschluss sei "eine Diskriminierung".
"In der Regel fehlt der Nachweis der Wirksamkeit"
Bei den Kassen sieht man das anders. Es sei "aus medizinischer Sicht nachvollziehbar", dass die Satzungsleistungen der gesetzlichen Krankenkassen zur Homöopathie gestrichen werden sollten, heißt es etwa von der AOK-Vorstandsvorsitzenden Carola Reimann. Denn: "In der Regel fehlt diesen Heilmethoden der evidenzbasierte Nachweis der Wirksamkeit."
Dass Lauterbach nun den Passus im Gesetzentwurf wieder herausgenommen hat, falle finanziell für die Kassen allerdings kaum ins Gewicht, so Reimann. Lauterbach hatte mit Einsparungen zwischen 20 und 50 Millionen Euro jährlich gerechnet. Ein verhältnismäßig kleiner Betrag - zuletzt lagen die jährlichen Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenkassen bei mehr als 300 Milliarden Euro.
Die Ausgaben für die Kassen sind im Bereich Homöopathie also überschaubar - und der Widerstand gegen Reformen groß, wie sich nun zeigt. Wohl auch deshalb hatte Lauterbachs Vorgänger Jens Spahn von der CDU die umstrittene Kostenübernahme für homöopathische Arzneimittel nicht angepackt. Die einfache Rechnung: Kostet nicht viel und tut nicht weh.
Offenbar wenig Stellschrauben für Entlastungen
Neben der Homöopathie hat Lauterbach bislang kaum konkrete Ideen vorgelegt, wie er die Kassen entlasten will. Stattdessen kommen wohl Mehrausgaben auf das System zu, etwa weil zusätzliche Medizinstudienplätze aus den Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt werden sollen. Die Kassen warnen schon vor steigenden Beiträgen.
Eigentlich hatte sich die Ampel-Regierung im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, die Kassen mit mehr Steuermitteln zu unterstützen. Passiert ist das bisher nicht. In Lauterbachs Ideenpapier dazu ist blumig die Rede, das solle umgesetzt werden, "sobald es im Lichte der wirtschaftlichen Entwicklung die haushaltspolitischen Rahmenbedingungen zulassen".
Das klingt nach dem Prinzip Hoffnung. Genau darauf setzt Lauterbach nun auch in Sachen Homöopathie. Denn eigentlich ist er ein scharfer Kritiker von Globuli und Schüßler-Salzen. Er werde bei seiner Position bleiben, kündigte er an. Alles weitere solle nun "im parlamentarischen Verfahren diskutiert" werden. Vorher muss der Gesetzentwurf dazu aber erst durchs Kabinett.
Vielleicht setzt er darauf, dass es doch noch eine Mehrheit gegen Homöopathie als Kassenleistung gibt. Die Verantwortung schiebt er damit aber weiter an die Abgeordneten. Nicht alle in den Ampelfraktionen werden über dieses neue Streitthema glücklich sein.