Klimaschutz "..und dann war das Thema wieder weg"
Wirtschaftsminister Habeck ist heute auf gleich drei Terminen in Sachen Klimaschutz unterwegs. Zuletzt schien das Thema an Aufmerksamkeit verloren zu haben. Dabei gäbe es durchaus Positives zu berichten.
Welche Rolle ein Thema gerade in der Gesellschaft spielt, zeigt sich auch daran, wie präsent es in den Medien ist. Fragt man die Klimapolitikerin Nina Scheer (SPD), ob sie zuletzt weniger für Interviews zum Klimaschutz angefragt wurde, lautet ihre Antwort: "Ja, eindeutig." In Zeiten der Energiekrise habe das Thema viel stärker im Vordergrund gestanden. Gefragt seien eben oft Aufreger-Themen, die zwischenzeitlich in den Mittelpunkt gerückt würden, beklagt Scheer. Andere Themen, bei denen dringend Handlungsbedarf besteht, gehen da unter.
Der Klimaforscher Mojib Latif vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel sieht darin ein altes Phänomen. "Es war immer so, dass die Aufmerksamkeit für das Thema Klimaschutz in Wellen kam. Es gab Phasen, da war sie extrem hoch." Latif nennt als Beispiel das Jahr 2007, kurz nachdem "Eine unbequeme Wahrheit" in die Kinos kam, ein Dokumentarfilm des ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore. Dann kam die weltweite Finanzkrise, das Thema war weg, erinnert sich Latif.
Fridays for Future habe es wieder in den Vordergrund gerückt - bis zur Corona-Krise. Neuen Aufschwung für das Thema habe 2021 die frisch gebildete Ampelkoalition und damit die Regierungsbeteiligung der Grünen gegeben. "Und dann kam ziemlich schnell der Krieg Russlands gegen die Ukraine. Damit war das Thema wieder komplett weg."
Klimaschutz ist mittlerweile Mainstream
Dabei gibt es Erfolge in Sachen Klimaschutz, über die man sprechen könnte, sagt Christiane Averbeck, Chefin der Klima-Allianz, ein Bündnis von 150 Organisationen in Deutschland, die sich für Klimaschutz einsetzen. Den Erfolg misst Averbeck auch an der Breite ihres Bündnisses. Mittlerweile gehörten dazu nicht mehr nur Umwelt- und Klimaverbände, sondern auch Gewerkschaften, Sozialverbände, Verbraucher- und Gesundheitsorganisationen.
"Wir haben das Gefühl, dass das Thema im Mainstream angekommen ist", sagt Averbeck. Soll heißen: Klimaschutz ist kein Randthema mehr von einigen wenigen Gruppen. Was auch dazu führt, dass es nicht mehr ständig extra erwähnt wird.
Ähnlich ist es auch in der Politik, sagt der FDP-Bundestagsabgeordnete Lukas Köhler. Er sitzt im Ausschuss für Klimaschutz und Energie. "Heute ist Klimapolitik in ganz vielen Dingen schon mit drin und wird mitgedacht. Wenn wir über Wirtschaftspolitik sprechen, sprechen wir immer auch darüber: Wie sehr belastet Klimapolitik die Wirtschaft, wie sehr belasten Klimaschäden die Wirtschaft?"
Zivilgesellschaft und Industrie ziehen an einem Strang
Wie sehr Wirtschaft, Industrie und Klimaschutz mittlerweile miteinander verwoben sind, zeigt sich heute bei gleich drei Terminen von Wirtschaftsminister Robert Habeck: Der Grünen-Politiker übergibt die ersten Klimaschutzverträge. Damit werden Firmen aus industrieintensiven Branchen wie Stahl, Chemie und Papier dabei unterstützt, sich klimafreundlicher aufzustellen.
Außerdem lädt der Bundesverband der Industrie heute zu einem Klimakongress - auch dort wird Habeck sprechen. Kurz danach noch beim Klima-Tag der Klima-Allianz, der parallel stattfindet.
Die Chefin der Allianz, Averbeck, betont: Es handele sich nicht um Konkurrenzveranstaltungen. Genau deshalb wolle man sich auch digital zusammenschalten. "Nicht nur wir als Zivilgesellschaft sondern auch die Industrie hat erkannt, dass wir Transformation unterstützen und voranbringen müssen", sagt Averbeck. Ein Hoffnungsschimmer also in Zeiten, in denen der Klimaschutz nicht mehr so stark im Vordergrund zu stehen scheint.
Latif: Handlungsbedarf ist enorm
Klimaforscher Latif sieht dennoch enormen zusätzlichen Handlungsbedarf: "Was mir große Sorgen bereitet, ist die Tatsache, dass sich viele Politikerinnen und Politiker innerlich damit abgefunden haben, dass sie die Pariser Klimaziele nicht erreichen werden."
Die Staatengemeinschaft hatte sich 2015 auf der Weltklimakonferenz in Paris darauf verständigt, den Anstieg der Temperaturen auf 1,5 Grad zu begrenzen. Laut Latif ist das kaum mehr zu erreichen. Man müsse mehr über Klimaschutz sprechen - aber auch konkret handeln. Ein Aufruf, der für die Politik genauso gilt wie für die Gesellschaft.