Unterschiedliche neue Auto-Modelle stehen auf dem Autoterminal im Hafen, direkt am VW-Werk.
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Europäische Autoindustrie Von Flottenzielen, Grenzwerten und E-Fuels

Stand: 08.10.2024 12:54 Uhr

Die Autoindustrie, vor allem die deutsche, steckt in der Krise. Vor diesem Hintergrund wächst der Druck auf die EU, die klare Klimaschutzziele für die Branche formuliert. Es ist ein zähes Ringen.

"Und läuft und läuft und läuft…" - Und während die Stimme im VW-Werbespot so jubiliert, rollt ein Käfer in Richtung Horizont. Es ist 1968. Es sind andere Zeiten für die deutsche Autoindustrie. Ein halbes Jahrhundert später soll der Weg in die Zukunft eigentlich elektrisch sein. Strom statt Verbrenner. Dieser Wandel soll helfen, die CO2-Emissionen immer weiter zu reduzieren und Europa zu einem klimaneutralen Kontinent zu machen.

Doch es läuft nicht so wie geplant. Vor wenigen Tagen erst hat der Verband der Automobilindustrie (VDA) seine Prognose für 2024 weiter nach unten korrigiert. Der Markt für Elektro-Pkw entwickle sich im Jahresverlauf "weiterhin unterdurchschnittlich". Die Autoindustrie - nicht nur in Deutschland - ist angeschlagen. Es geht um die Konkurrenz mit China, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft, aber auch um Europas Ziele beim Klimaschutz.

Umstrittener Stufenplan der EU

Heute ist die Krise der Branche auf der Tagesordnung des EU-Parlaments in Straßburg. Seit Monaten steht die Frage im Raum, was die EU tun kann oder muss. Die Stichworte: Verbrenner-Aus, Flottengrenzwerte, Strafzahlungen, E-Fuels. Doch es zeigt sich, dass die Erwartungen an die Politik vielfältig sind. Die Hersteller wollen Planungssicherheit. Doch nicht alle Forderungen sind deckungsgleich.

Grundlage der Diskussion ist ein Stufenplan der EU. Darin ist festgeschrieben, wie der CO2-Ausstoß von Neufahrzeugen reduziert werden soll. Festgelegt sind konkrete Flottenziele für Hersteller. Der Durchschnitt aller verkauften neuen Fahrzeuge darf einen bestimmten Grenzwert nicht überschreiten. 2025 steht die nächste Stufe in diesem Plan an, die Flottenziele werden deutlich verschärft.

Wer die Ziele nicht einhält, dem drohen Strafzahlungen. 2035 sollen dann nur noch Fahrzeuge neu verkauft werden dürfen, bei denen kein CO2 mehr ausgestoßen wird. Bedeutet: Nach den jetzigen Gesetzen muss der Anteil von Elektromodellen immer weiter steigen, um den Durchschnitt des CO2-Ausstoßes in der Flotte zu senken.

Forderung nach früherer Flottenziel-Überprüfung

Doch es läuft und läuft und läuft nicht so wie geplant. Die Elektromobilität kommt nicht in allen EU-Ländern so voran, wie gewünscht. Besonders aus Deutschland sind deswegen die Forderungen laut. In einem Antrag der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag heißt es: "Die gesetzlich festgeschriebene Reduktion der CO2-Flottengrenzwerte ignoriert die wirtschaftliche Realität sowie die derzeitig ungünstigen Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Hochlauf der Elektromobilität."

Die ambitionierten Ziele müssten der Realität angepasst werden. Die Bundesregierung solle sich auf EU-Ebene auch dafür einsetzen, dass die Strafzahlungen bei Nicht-Einhaltung ausgesetzt werden. "Wenn wir in Zeiten sind, wo Volkswagen und andere ankündigen, Arbeitsplätze abzubauen, und gleichzeitig mit starken Strafzahlungen gearbeitet wird durch die Europäische Union, dann ist das für mich nicht nachvollziehbar", sagt Manfred Weber, Fraktionsvorsitzender der europäischen Christdemokraten im EU-Parlament.

Der Branchenverband der deutschen Autoindustrie will, dass eine geplante Überprüfung der Flottengrenzwerte um ein Jahr vorgezogen wird. VDA-Präsidentin Hildegard Müller betont im Interview mit dem ARD-Studio Brüssel: "Wir führen keine Diskussion zur Verschiebung der Grenzwerte. Wir wollen Transparenz haben, wo wir stehen, den Blindflug beenden, in dem wir sind." Dabei gehe es neben dem, was die Autoindustrie tun könne, auch um Rahmenbedingungen: beispielsweise Stromnetze und die Situation bei den Ladesäulen. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck kann sich eine solche frühere Überprüfung vorstellen. Die eigentlichen Grenzwerte sollen aber nicht geschliffen werden.

Und was ist mit E-Fuels?

Zweiter Streitpunkt: Was passiert nach 2035? Ist das Aus des Verbrennermotors besiegelt? Oder sollen auch nach 2035 Neuwagen verkauft werden dürfen, die ausschließlich E-Fuels verbrennen dürfen? Die Argumentation der Befürworter: Es handele sich um CO2-neutrale Kraftstoffe, weil zwar weiterhin CO2 aus dem Auspuff komme, es aber vorher im Herstellungsprozess der Atmosphäre entzogen wird. "Wir müssen unseren Erfindergeist nutzen und alle klimaneutralen Technologien in Betracht ziehen", sagt der FDP-Europaabgeordnete Jan-Christoph Oetjen: "Die Elektromobilität ist kein Wunderheilmittel." Die Flottengrenzwerte sollten angepasst werden, damit alle alternativen Kraftstoffe angerechnet werden könnten.

In Deutschland hatten sich CDU, FDP und AfD gegen das Verbrenner-Aus ausgesprochen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betont in den strategischen Leitlinien für ihre zweite Amtszeit, das Klimaneutralitätsziel 2035 schaffe Berechenbarkeit für Investoren und Hersteller. Um dieses Ziel zu erreichen, sei ein "technologieneutraler Ansatz" erforderlich, bei dem E-Fuels durch eine gezielte Änderung der Verordnung im Rahmen der geplanten Überprüfung eine Rolle spielen können.

Auch ein Hersteller ist für das Ziel 2035

Michael Bloss, der für die Grünen im EU-Parlament sitzt, nennt die Hoffnung, dass E-Fuels den Klimaschutz im Bereich Verkehr voranbringen werden "irrsinnig". Sie seien heute noch nicht einmal kommerziell verfügbar. "Wenn sich Superreiche die teuren E-Fuels in ihren alten Porsche kippen wollen, habe ich unter der Bedingung nichts dagegen, dass die Regelungen zur Förderung von E-Autos dadurch nicht gekippt werden." Eine Gruppe von 50 Unternehmen, zu denen auch Volvo gehört, spricht sich dafür aus, an den bisherigen EU-Plänen festzuhalten: "Das Ziel für 2035 gibt eine klare Richtung vor, die es uns Unternehmen und allen anderen Beteiligten ermöglicht, uns auf die Umsetzung des erforderlichen Wandels zu konzentrieren."

Es ist eine unübersichtliche Debatte. Allein in Deutschland verfolgen die Hersteller unterschiedliche Strategien. Sobald die neue EU-Kommission im Amt ist, kann Ursula von der Leyen entscheiden, welche Akzente sie setzt - und wie sie die Ziele Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz balancieren will.