Kindergrundsicherung Großer Plan, kleine Einigung
Die Kindergrundsicherung kommt, aber die Stimmung zwischen Familienministerin Paus und Finanzminister Lindner bleibt angespannt. Die jetzige Einigung hat gute Seiten - doch der große Wurf ist sie nicht.
Es war kein Geheimnis, dass Familienministerin Lisa Paus und Finanzminister Christian Lindner im Streit liegen, wenn es um die Kindergrundsicherung geht. Dass die Stimmung zwischen den beiden auch aktuell noch angespannt ist, war auf der heutigen Pressekonferenz deutlich zu spüren. Paus sprach von "harten Verhandlungen" - und als Lindner betonte, dass er zufrieden mit der jetzigen Lösung und der finanziellen Ausgestaltung von 2,4 Milliarden Euro sei, fiel ihm seine Kabinettskollegin ins Wort: "Ja, das kannst du auch sein."
Als Paus darauf hinwies, dass in den kommenden Jahren die jährliche Summe auf sechs Milliarden Euro anwachsen solle, dämpfte Lindner diese Erwartungen und redete darüber, dass es zukünftig weniger Kinder geben werde, die überhaupt Anspruch auf die Zahlungen haben würden.
Streit teilweise öffentlich ausgetragen
Nachdem Paus vor mehreren Monaten das Projekt Kindergrundsicherung zu einer Herzensangelegenheit der Grünen gemacht hatte, entwickelte sich ein teilweise öffentlich ausgetragener Streit zwischen FDP und Grünen.
Allein die puren Zahlen zeigen, wer sich jetzt durchgesetzt hat: Grünen-Politikerin Paus startete mit zwölf Milliarden Euro, die sie forderte. FDP-Chef Lindner dagegen benannte im Haushaltsplan einen sogenannten Merkposten von zwei Milliarden. Wenn man sich jetzt auf 2,4 Milliarden Euro geeinigt hat, ist das eindeutig kein Treffen in der Mitte.
Das bringt auch die Sprecherin der Grünen Jugend, Sarah-Lee Heinrich, auf den Punkt und schreibt beim Twitter-Nachfolger X: "Nein, diese Kindergrundsicherung holt viele Kinder nicht aus der Armut."
Parteipolitisches Geschacher
Paus dagegen macht gute Miene zum teilweise verlorenen Spiel und betont, dass nun die Zahlungen für bedürftige Familien "schneller, einfacher und direkter" vonstatten gehen sollen. Was noch zu beweisen sein wird, denn nun muss innerhalb von 16 Monaten ein riesiges Verwaltungsprojekt auf den Weg gebracht werden und funktionieren, damit Anfang 2025 dann tatsächlich die Gelder so ausgezahlt werden können wie jetzt geplant. Die digitale Bündelung verschiedenster Fördermöglichkeiten im sogenannten Kinderzukunftschancenportal wird es sowieso erst in etwa drei Jahren geben. Das gab auch Paus heute zu.
Am Ende, nach monatelangem Streit, hat der Kanzler die beiden Streitenden unter Zeitdruck gesetzt, damit zur Klausurtagung in Meseberg die Einigung da ist. Und da ging es für Paus vor allem darum, das Projekt Kindergrundsicherung überhaupt noch am Leben zu erhalten. Paus hatte keine Wahl mehr - sie musste dem Mini-Kompromiss zustimmen.
Ihr Veto gegen das Wachstumschancengesetz, mit dem sie Druck auf den Finanzminister ausgeübt hatte, musste sie aufgeben. Das wirkt schon eher nach parteipolitischem Geschacher und zu wenig nach sachorientierter Lösung.
Kein großer Wurf
Das Gute am jetzigen Plan: Die Kindergrundsicherung inklusive der einzelnen Leistungen soll von der Holschuld der bedürftigen Familien zu einer Bringschuld des Staates werden. Der Staat soll sich also kümmern, damit die, die ein Anrecht auf die Leistungen haben, sie auch bekommen. Allerdings ist unklar, wie viel Geld dieses verwaltungstechnische Konstrukt verschlingen wird - und wie viel Geld dann tatsächlich bei den Kindern ankommt. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass das nicht viel sein wird.
Damit wird die Kindergrundsicherung nur eine kleine Verbesserung werden. Der große Wurf ist sie nicht. Der wäre aber das politische Signal gewesen, dass die Ampel nach der Sommerpause einen geeinten Neustart geschafft hat.