Haushaltsausschuss Kaffee, Adrenalin und diese 60-Milliarden-Lücke
Eigentlich wollten die Haushaltspolitiker heute zur sehr langen letzten Sitzung zusammenkommen. Doch weil nach dem Karlsruher Urteil viele Geldfragen ungeklärt sind, verschiebt sich der Beschluss zum Etat 2024.
Schon in normalen Jahren ist die Bereinigungssitzung eine Mammutsitzung, die bis in die frühen Morgenstunden dauern kann. In diesem Jahr kommt hinzu, dass der Ampelkoalition nach der Entscheidung aus Karlsruhe 60 Milliarden Euro weniger für Klimainvestitionen zur Verfügung stehen. Denn die Umwidmung von Corona-Schulden für andere Zwecke verstoße gegen die Schuldenbremse des Grundgesetzes - so das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das von der CDU/CSU-Fraktion angerufen worden war.
Opposition wollte Sitzung verschieben
Die Opposition hat daher gefordert, die Sitzung zu verschieben. "Wenn wir an Stelle der Bundesregierung wären, würden wir das Haushaltsverfahren stoppen und einen neuen Haushaltsplan aufsetzen", sagt Unions-Fraktionschef Friedrich Merz.
Gesine Lötzsch, Haushaltspolitikerin der Linken, spricht gar von einer "Veralberung des Parlaments und des Haushaltsausschusses", wenn man so tagen wolle als wäre nichts geschehen. Schließlich könnten zentrale Projekte der Ampelkoalition nicht mehr über den Klima- und Transformationsfonds (KTF) finanziert werden.
Auch Peter Boehringer (AfD) hält es für unmöglich, die Folgen der Karlsruher Entscheidung binnen weniger Stunden bei den Haushaltsberatungen zu berücksichtigen.
Ampel trennt Haushalt und Klimafonds
SPD-Haushaltspolitiker Dennis Rohde hält dagegen. Er macht einen Unterschied zwischen dem regulären Haushalt und dem KTF. Karlsruhe habe zwar 60 Milliarden Euro, die für diesen Fonds vorgesehen waren, für nichtig erklärt - was zur Folge habe, dass der Wirtschaftsplan des KTF neu beraten werden müsse. Den regulären Bundeshaushalt könne man aber ohne Probleme verabschieden, ansonsten könnte der Haushalt nicht rechtzeitig Anfang Januar in Kraft treten.
Als Zugeständnis an die Opposition soll es am kommenden Dienstag noch eine Anhörung zu den Folgen des Karlsruher Urteils geben. Auch der offizielle Beschluss des Ausschusses zum Haushalt 2024 soll verschoben und in einer digitalen Sitzung am 23. November getroffen werden - rechtzeitig vor der dann folgenden Haushaltswoche im Plenum.
Heute wird also lediglich über die Einzeletats der Ministerien beraten, abschließend entschieden wird der Haushaltsausschuss erst nächste Woche.
Folgen für andere Sondervermögen?
Christian Haase (CDU) reicht das nicht aus. Er verweist auf mögliche Auswirkungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch auf andere schuldenfinanzierte Sondervermögen wie den Wirtschaftsstabilisierungsfonds, aus dem insbesondere die Energiepreisbremsen bezahlt werden: "So ein Urteil muss man erst einmal auswerten - das verlangt auch der Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht." Letztlich müsse es ein Ende haben mit schuldenfinanzierten Schattenhaushalten, so die Einschätzung von Haase.
Für die Ampelpartner aber steht akut eine andere Frage an: Wie sollen Aufgaben finanziert werden, für die nun im Klima- und Transformationsfonds die Mittel fehlen? Grünen-Haushälter Sven-Christian Kindler verweist beispielsweise auf die Finanzierung von Bahn-Investitionen, den klimaneutralen Umbau der Stahlindustrie, die Gebäudesanierung oder die Unterstützung der Bauwirtschaft. Gemeinsam würden Bundesregierung und Parlament einen konkreten Plan entwickeln, wie die Finanzierung aussehen könne.
Insofern spricht auch Otto Fricke (FDP) von einer gewissen Wechselwirkung zwischen dem Klima- und Transformationsfonds und dem Haushalt.
Mindestens zehn Milliarden Euro fehlen
Dabei fehlen auch im regulären Haushalt noch mindestens zehn Milliarden Euro, wie aus den Unterlagen für die Bereinigungssitzung hervorgeht. Zuletzt kamen noch weitere Ausgaben für die Unterstützung der Ukraine sowie das Bürgergeld hinzu. Einnahmeausfälle wiederum sind mit der angekündigten Senkung der Stromsteuer verbunden. Und manche wünschen sich die Fortführung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes in der Gastronomie.
FDP-Haushälter Karsten Klein warnt schon mal: Jedem müsse nach der Entscheidung aus Karlsruhe klar sein, dass die Lage für den Haushalt nicht entspannter geworden sei.
Kaffee, Traubenzucker, Abstecher an die frische Luft
Klar ist aber auch: In den abschließenden Beratungen versuchen alle Fachbereiche noch mal, Mittel für sich zu ergattern. Gerade deshalb, sagt Jamila Schäfer von den Grünen, sei die Bereinigungssitzung eine der wichtigsten Sitzungen des Haushaltsausschusses, "weil wir da unsere Vorstellungen, wie der Haushalt noch besser werden kann, durchsetzen". Schließlich gilt das Haushaltsrecht als Königsrecht des Parlaments.
Dazu gehört, dass an diesem Tag alle Minister gegenüber den Haushältern Rede und Antwort stehen müssen. Manche auch in der Nacht, denn die Sitzung kann schon mal bis in den frühen Morgen dauern.
Was gute Konzentration erfordert und auch ein paar Aufputschmittel: Viel Kaffee, sagt Claudia Raffelhüschen (FDP). Jamila Schäfer bringt Traubenzucker mit. Christian Haase schwört auf kurze Abstecher an die frische Luft. Und Dennis Rohde erwartet, dass die Kombination aus Kaffee und Adrenalin am Ende wachhält.
Am Freitagmorgen jedenfalls ist mit Ergebnissen der Bereinigungssitzung zu rechnen.