Türkischer Präsident Erdogan Ein Hamas-Sympathisant im Kanzleramt
In Berlin wird heute der türkische Präsident Erdogan empfangen. Erdogan, der die Hamas-Terroristen "Freiheitskämpfer" und Israel einen "Terrorstaat" genannt hat. Doch ihn auszuladen war für die Bundesregierung keine Option.
Die U-Bahn donnert über eine Brücke in Berlin-Kreuzberg. Links und rechts türkische Läden, Restaurants, ein Reisebüro und die Moschee. Sie gehört zu DITIB, dem größten und mächtigsten Moscheeverband in Deutschland. Hier wird man freundlich begrüßt, aber auch ebenso freundlich nach draußen begleitet. Es gibt kein Interview.
Es ist nicht einfach, ins Gespräch zu kommen. Die meisten sind misstrauisch und wollen nicht reden. Es gebe doch wichtigere Probleme als den Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Doch eines wird auch schnell klar, der türkische Präsident ist willkommen. "Ich liebe Erdogan", sagt der Chef des Dönerladens. Und im türkischen Reisebüro sagt ein Mann, Erdogan sei "herzlich willkommen in dem Land, wo ich geboren bin".
Erdogan bezeichnete Israel als "Terrorstaat"
Besonders herzlich wird der Empfang für Erdogan bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz wohl nicht sein. Aber trotzdem ist Erdogan willkommen. Der Mann, der seit Wochen viele entsetzt hat mit seinen Worten.
Auf einer großen Kundgebung in Istanbul fragt der türkische Präsident: "Wieso ist Netanyahu ein Terrorist? Er machte die Hamas zum Terroristen." Die Menge feiert ihn dafür. Und erst vor wenigen Tagen legt er nach, sagt im türkischen Parlament, "dass Israel ein Terrorstaat ist".
Scholz wägt seine Worte sorgsam
Dieser Erdogan sitzt heute dem Bundeskanzler gegenüber, der sagt: Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson. Weiter auseinander könnten die beiden nicht sein. Was Olaf Scholz von Erdogans Aussagen hält, macht er schon vorher klar.
Aber in seiner typischen Art wählt und wägt der Kanzler die Worte sorgsam. Absurd seien die Vorwürfe. Israel sei eine Demokratie. Man werde "wie immer über die Dinge reden, die da zu besprechen sind. Auch über unterschiedliche Ansichten. Auch das ist in dieser Frage ganz wichtig, dass da Klarheit herrscht."
Breite Kritik an Erdogans Besuch
Absurde Vorwürfe? Unterschiedliche Ansichten? Es gibt viele, die erwarten vom Kanzler, dass er deutlicher wird. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth, nennt Erdogan einen Antisemiten. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sagt, Erdogan könne kein Partner für die deutsche Politik sein.
Und der Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel, geht noch weiter. Er fordert, der Besuch hätte abgesagt werden müssen. Er fragt sich, was das "Nie wieder" deutscher Politiker sonst noch wert ist: "Da kann man nicht jemanden nach Berlin einladen, der sagt, Israel ist ein 'Terrorstaat', und das sind Faschisten. Das ist der größtmögliche außenpolitische Widerspruch, den es gibt."
"Das Leben ist kein Ponyhof"
Erdogan ausladen? Da widerspricht Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir. Er hält es für richtig, dass er Erdogan empfängt. "Das Leben ist kein Ponyhof. Dazu gehört eben auch, dass man sich mit Zeitgenossen treffen muss, die sehr ungewöhnliche, skurrile, manchmal absurde Meinungen haben"
Özdemir ärgert etwas anderes. Dass die Politik überrascht ist, wie sehr Erdogan über deutsche Moscheen Einfluss nimmt. "Man muss wissen, wenn man Staatsverträge mit seinen Vertretern in Deutschland schließt, dann lässt man Erdogan in deutsche Schulen. Dann wird dieses Gift des Antisemitismus in Deutschland weiterverbreitet."
Özdemir meint zum Beispiel die fast 900 DITIB-Gemeinden. Und auch der stellvertretende Fraktionschef der Union, Johann Wadephul, warnt davor, naiv zu sein. Das müsse der Kanzler klar machen: "Und unsere staatlichen Behörden müssen gegebenenfalls einschreiten."
Sympathie für die Hamas
Was wird bei DITIB gepredigt? Eine Frau, die aus der Berliner Moschee kommt, wird deutlich. Erdogan sei sehr gut, die Hamas auch gut, sagt sie in gebrochenem Deutsch.
So denken nicht alle hier, aber sie können Erdogan auch ein bisschen verstehen: "Hey, Menschen umzubringen ist einfach Scheiße. Aber wer hat angefangen?", fragt ein Mann. Ein anderer sagt, er finde die Aussagen von Erdogan nicht richtig, aber was Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu mache, sei doch auch nicht richtig.
Erdogan wird gebraucht
Es ist der Bundesregierung anzumerken, dass sie sich unwohl fühlt. Aber - so sagt es der Regierungssprecher: "Wenn wir uns nur darauf zurückziehen, mit denjenigen zu sprechen, mit denen wir übereinstimmen in unseren Werten, haben wir relativ viele freie Tage."
Den türkischen Präsidenten auszuladen, stand wohl nie ernsthaft zur Debatte. Denn Erdogan ist Präsident eines NATO-Landes. Er wird gebraucht. Um vielleicht zu vermitteln, dass die Hamas die Geiseln freilässt. Die Türkei spielt außerdem immer noch eine wichtige Rolle, wenn es darum geht etwas gegen irreguläre Migration zu tun. Aber viele in Berlin erwarten heute, dass der Kanzler sich klar äußert, wenn beide vor Kameras und Mikrofone treten.