Corona-Lockerungen Bundestag stimmt für Infektionsschutzgesetz
Die Corona-Inzidenz steigt, die Maßnahmen fallen: Bundestag und Bundesrat haben den Weg für das geänderte Infektionsschutzgesetz frei gemacht. Eine Maskenpflicht etwa in Geschäften gibt es künftig nicht mehr - doch Kritik daran ebbt nicht ab.
Ungeachtet hoher Infektionszahlen hat der Bundestag ein geändertes Infektionsschutzgesetz mit dem Wegfall der meisten bundesweiten Corona-Schutzregeln beschlossen. Die Bundesländer wollen aber noch eine bis maximal 2. April eingeräumte Übergangsfrist nutzen und jeweils aktuell geltende Schutzregeln zumindest teilweise aufrechterhalten.
In namentlicher Abstimmung votierten am Mittag 388 Abgeordnete für die Pläne der Ampelkoalition, 277 lehnten sie ab, zwei enthielten sich. Nach einem heftigen Schlagabtausch hatten in zweiter Lesung SPD, FDP und Grüne dafür gestimmt - alle anderen dagegen. Auch der Bundesrat ließ das Gesetz passieren. Allerdings protestierten dort einige Länder gegen die Schutzregeln.
Künftig gilt nur noch ein Basisschutz
Welche Vorgaben weiterhin in welchen Regionen gelten, entscheiden künftig die Länderparlamente. Grundsätzlich gilt nach der geänderten Rechtsgrundlage zum Infektionsschutz nur noch ein Basisschutz mit Masken- und Testvorschriften für besonders verletzliche Gruppen und Einrichtungen wie Altenheime und Kliniken. In Schulen müssen keine Masken mehr getragen werden, im Einzelhandel und öffentlichen Innenräumen auch nicht. In Bussen und Bahnen soll weiterhin Maskenpflicht gelten können.
Entscheidung über "Hotspots" bei Parlamenten
Die Länderparlamente können für sogenannte Hotspots schärfere Vorschriften für die Maskenpflicht sowie Abstands- und Hygieneregeln und 2G- oder 3G-Nachweise beschließen. Voraussetzung ist die Ausbreitung einer neuen, gefährlichen Virusvariante in einer Region oder die drohende Überlastung des Gesundheitswesens durch hohe Infektionszahlen. Die Auflagen, die nach der neuen Rechtsgrundlage beschlossen werden, können maximal bis zum 23. September in Kraft bleiben.
Die abschließende Debatte über das Infektionsschutzgesetz war geprägt von Kritik an den neuen Regeln. Sie kam auch aus den Reihen der Ampel-Fraktionen von den Grünen, während die FDP die Lockerungen verteidigte. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warb für den Kompromiss, den er mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ausgehandelt hatte. In der gegenwärtigen Phase der Pandemie könne man nicht weiter das ganze Land unter Schutz stellen, sagte er. Es dürfe aber angesichts der hohen Infektionszahlen auch keinen Freedom Day geben, an dem alle Regeln fallen.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, sagte, die neuen Regeln seien "ein wichtiger Schritt in Richtung Normalität". Sie sicherten zugleich die Handlungsfähigkeit der Bundesländer. "Selbstverständlich ist die Pandemie nicht vorbei", sagte Aschenberg-Dugnus. Es sei aber ein Unterschied, ob sich junge oder alte Menschen infizierten, und diesen Unterschied müsse man auch bei den Regeln machen.
Ramelow wirft Scholz Wortbruch vor
Bei den Beratungen im Bundesrat machten einige Landesregierungen erneut ihrem Ärger über die Pläne und das Vorgehen der Ampelkoalition Luft. "Das Verfahren ist unsäglich und schlichtweg unwürdig", beklagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier in der Sitzung. Es habe keine Abstimmung mit den Ländern gegeben. Lauterbach fürchte öffentlich Schlimmstes und lege gleichzeitig so ein Lockerungsgesetz vor.
Dies untergrabe die Akzeptanz. Zudem gebe es keine klaren Kriterien zur Definition eines Hotspots, sagte der CDU-Politiker. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) bescheinigt Kanzler Scholz indirekt einen Wortbruch bei der Corona-Politik. Der Kanzler habe ausdrücklich zugesichert, eine Zusammenarbeit mit den Ländern beim neu gefassten Infektionsschutzgesetz sei selbstverständlich, sagte Ramelow im Bundesrat. Das Gesetz sei "ohne unser Fachwissen" geändert worden.
"Eine Unverschämtheit"
Die Belastung in ihrem Land sei hoch wie nie, beschwerte sich Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin Stefanie Drese (SPD) in der Länderkammer. Vielerorts in Deutschland sei die Lage in den Kliniken angespannt, mancherorts dramatisch. Die von der Regierung auf den Weg gebrachte Aufhebung elementarer Schutzmöglichkeiten sei falsch.
"Das ist alles eine prozedurale Unverschämtheit", sagte der bayerische Minister für Bundesangelegenheiten, Florian Herrmann (CSU). Die Länder müssten es nun im Eiltempo regeln, wenn sie eine Übergangsfrist nutzen wollten vor dem grundsätzlich beschlossenen Auslaufen bundesweiter Vorgaben. "Es blickt ja auch niemand mehr durch, welche Regelung wann gilt."