EuGH-Urteil Leistungsschutzrecht scheitert an Formalie
Die Verlage hatten sich vom deutschen Leistungsschutzrecht viel Geld versprochen. Doch sechs Jahre nach Inkrafttreten hat Google noch keinen Cent gezahlt - und wird es wohl auch nicht müssen.
Insgesamt 1,24 Milliarden Euro wollte die Verwertungsgesellschaft VG Media von Google haben - für die Veröffentlichung von Verlagsinhalten in Suchergebnissen oder auf Google News. Doch daraus wird nun nichts.
Gestützt war die Forderung auf das umstrittene deutsche Leistungsschutzrecht, das 2013 in Kraft trat. Es verbietet, Textausschnitte aus Pressebeiträgen ohne Zustimmung der Verlage öffentlich zugänglich zu machen - es sei denn es geht nur um einzelne Wörter oder kleinste Passagen. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist dieses Gesetz nun aber unanwendbar.
EU über Gesetzentwurf nicht unterrichtet
Die schwarz-gelbe Bundesregierung hatte es damals versäumt, die EU-Kommission über den Gesetzentwurf zu unterrichten. Gegen eine solche Notifizierung hatte sich das Bundesjustizministerium auch entschieden, weil es sonst kaum möglich gewesen wäre, das Leistungsschutzrecht noch vor der Bundestagswahl im Herbst 2013 zu verabschieden.
Die EuGH-Richter stellten nun klar, dass eine Notifizierung notwendig gewesen wäre. Nachgebessert werden kann dieses Versäumnis nicht. Folge ist die Unanwendbarkeit des Gesetzes.
Vor den EuGH gebracht hatte das Landgericht Berlin den Fall. Dort muss nun noch endgültig über den konkreten Rechtsstreit entschieden werden.
Insgesamt umstritten
Das Leistungsschutzrecht ist insgesamt sehr umstritten. So war etwa unklar, wie viel Inhalt genau Suchmaschinen frei verwenden dürfen. Im Gesetz steht lediglich: "einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte". Während VG Media darunter maximal sieben Wörter versteht, wollte Google eine Zeichen-Obergrenze. Manche Verlage hatten sogar nur drei Wörter verlangt.
Google hatte außerdem eingewandt, dass auf Google News oder neben Suchergebnissen mit Links auf Nachrichtenseiten gar keine Werbung stehe - der Konzern mit der Anzeige von Textausschnitten also gar nichts verdiene. VG Media sieht das anders: "Die Suchmaschine Google wird gerade auch deshalb viel genutzt (und ist deshalb als Werbeplattform so attraktiv), weil Verbraucher dort auch umfangreich Presseinhalte erwarten und auch finden."
Der Europäischen Gerichtshof in Luxemburg stellte die Unanwendbarkeit des deutschen Gesetzes zum Leistungsschutzrecht fest.
Gratis-Einwilligungen der Verlage
Hinzu kommt: Alle Verlage, die ihre Rechte von der Verwertungsgesellschaft VG Media wahrnehmen lassen, hatten dem Konzern schnell erlaubt, Verlagsinhalte auf Google News und den Suchseiten gratis darzustellen. Zuvor hatte der Konzern angekündigt, andernfalls in den Suchergebnissen nur noch Überschriften zu verwenden.
Die Verlage hatten deshalb in einem weiteren Gerichtsverfahren gegen Google vorgetragen, dass sie wirtschaftlich dazu gezwungen waren, dem Konzern eine Gratis-Einwilligung für die Nutzung ihrer Inhalte zu erteilen.
Rechtsstreit beim Kammergericht Berlin
Das Urteil des EuGH dürfte sich auch auf diesen Rechtsstreit auswirken, der derzeit beim Kammergericht Berlin anhängig ist. In erster Instanz hatte das Landgericht die Klage abgewiesen. Das Prinzip einer Suchmaschine sei eine "Win-win-Situation", von der alle Beteiligten profitierten. Die Anzeige der Textausschnitte sei auch im wirtschaftlichen Interesse der Presseverleger.
Eine kleine Hoffnung gibt es für die Verlage allerdings: Inzwischen gibt es ein Leistungsschutzrecht auf europäischer Ebene, das Deutschland nun umsetzen muss. Gestützt darauf, fordert VG Media für den gesamten europäischen Markt für die Zukunft pauschale Lizenzsummen, die zwischen 3,44 Milliarden (2019) und 8,5 Milliarden (2024) pro Jahr liegen sollen.