ARD-DeutschlandTrend Union auf Rekordtief - SPD zieht vorbei
Rund drei Wochen vor der Bundestagswahl fällt die Union im DeutschlandTrend auf ein Rekordtief. Die SPD zieht vorbei. Auch die Grünen fallen weiter zurück. Die SPD profitiert vor allem vom Scholz-Faktor.
"Wer hat aus Ihrer Sicht die größte Kompetenz, wenn Sie Armin Laschet, Olaf Scholz und Annalena Baerbock miteinander vergleichen?" - das war eine der Fragen von infratest dimap für den ARD-DeutschlandTrend diese Woche.
Die Antwort: Eine Mehrheit der Deutschen (55 Prozent) sagt, dass SPD-Kandidat Olaf Scholz die größte Kompetenz hat. Vom Unions-Kandidaten Armin Laschet sagen das 14 Prozent, von der Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock sieben Prozent.
Außerdem wurden die Bürgerinnen und Bürger gefragt, welchen der drei sie bei bestimmten Charaktereigenschaften vorne sehen. Im direkten Vergleich wird Vizekanzler Scholz von 42 Prozent der Deutschen aktuell am sympathischsten eingeschätzt - das sind 24 Punkte mehr als im Mai 2021. 43 Prozent nennen ihn am glaubwürdigsten (+21). Unmittelbar nach Bekanntgabe ihrer Kanzlerkandidatur im Mai hatte Baerbock in beiden Punkten noch die meisten Befragten überzeugt. Noch deutlicher als im Frühjahr wird Scholz aktuell Führungsstärke zugeschrieben (53 Prozent; +22).
Scholz bei der Direktwahlfrage klar vorn
Dieser Vorsprung beim Profilvergleich spiegelt sich auch in der Direktwahlfrage. Wenn man in Deutschland den Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin direkt wählen könnte, dann würden sich aktuell 43 Prozent für den SPD-Kandidaten entscheiden - das sind zwei Punkte mehr im Vergleich zum DeutschlandTrend für das ARD-Morgenmagazin vom 20. August.
Unions-Kanzlerkandidat Laschet und Grünen-Kandidatin Baerbock verändern sich nicht und werden von 16 Prozent beziehungsweise zwölf Prozent der Bürger bei der Direktwahlfrage genannt. 29 Prozent können oder wollen sich nach wie vor für keinen der drei Politiker entscheiden.
Von den drei Personen, die sich um das Kanzleramt bewerben, bekommt Scholz den meisten Rückenwind aus der eigenen Anhängerschaft: 87 Prozent der SPD-Anhänger favorisieren den eigenen Kandidaten im Kanzleramt. Unter den Grünen-Anhängern würden sechs von zehn (61 Prozent) für Baerbock votieren - und in den Reihen der Unionsparteien würde knapp die Hälfte (47 Prozent) für Laschet stimmen.
Olaf Scholz ist für die SPD in Umfragen zum Zugpferd geworden.
Scholz' Beliebtheit nutzt der SPD
Die Popularität des SPD-Kanzlerkandidaten kommt seiner Partei unmittelbar zugute. Ein Viertel der SPD-Anhänger (26 Prozent) gibt an, dass für ihre aktuelle Parteipräferenz überwiegend der Kandidat ausschlaggebend ist. Weitere 48 Prozent begründen ihre SPD-Präferenz mit einer Kombination aus der Person des Spitzenkandidaten und überzeugenden Positionen der Partei.
Die Kandidaten der anderen Parteien entwickeln diese Zugkraft bislang nicht. Deren Anhänger geben an, vornehmlich wegen der Inhalte ihrer Partei für diese zu stimmen. Es liegt also auch an der Schwäche der anderen, dass Scholz und seine Partei zurzeit vergleichsweise positiv bewertet werden.
Union auf Rekordtief in der Sonntagsfrage
Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die Union aktuell auf 20 Prozent - sieben Punkte weniger im Vergleich zum Vormonat. Das ist der niedrigste Wert, der je im ARD-DeutschlandTrend für die Union gemessen wurde. Die SPD würde sich um sieben Punkte verbessern und käme auf 25 Prozent. Zuletzt lag die SPD im Februar 2017 um einen Punkt vor der Union - seitdem nicht mehr.
Die AfD gewinnt zwei Punkte hinzu und kommt auf zwölf Prozent; die FDP verbessert sich um einen Punkt und kommt auf 13 Prozent. Die Linkspartei ist stabil bei sechs Prozent; die Grünen büßen drei Punkte ein und kommen auf 16 Prozent.
Mit diesen Zahlen wären Regierungsbündnisse nur mit drei Parteien möglich. 35 Prozent der Befragten bevorzugen aktuell eine SPD-geführte Regierung; das sind fünf Punkte mehr als im DeutschlandTrend für das ARD-Morgenmagazin vom 20. August. 24 Prozent wünscht sich, dass weiter die Union die Bundesregierung anführt (-6). Jeder Achte (13 Prozent; -2) favorisiert eine Koalition unter Grünen-Führung. 28 Prozent (+3) äußern in diesem Zusammenhang keine Präferenz.
SPD sozialpolitisch wieder vorn
Wenn man ganz pauschal fragt, welcher Partei die Bürgerinnen und Bürger am ehesten zutrauen, die wichtigsten Aufgaben des Landes zu lösen, dann liegen SPD mit 25 Prozent der Nennungen und CDU/CSU mit 24 Prozent etwa gleichauf. Damit wird die SPD besser bewertet als zur vergangenen Bundestagswahl (19 Prozent), die Union dagegen deutlich schlechter als 2017 (49 Prozent).
Die Sozialdemokraten punkten aktuell vor allem in sozialpolitisch gelagerten Fragen. Beim Einsatz für angemessene Löhne (43 Prozent; +13 zu Mai), für eine langfristige Sicherung der Altersversorgung (32 Prozent) und eine gute Familienpolitik und Kinderbetreuung (31 Prozent; +9) setzen die Befragten am ehesten auf die SPD.
Die Union überzeugt auf dem Feld der Wirtschaftspolitik nach wie vor die meisten Wahlberechtigten (34 Prozent; -3 zu Mai) sowie bei der Bewältigung der Corona-Krise (27 Prozent; -3).
Den Grünen wiederum wird in der Umwelt- und Klimapolitik (43 Prozent; -15) die größte Kompetenz attestiert.
Größeres Vertrauen in die SPD
Die Sozialdemokraten werden auf verschiedenen Feldern durchweg besser bewertet als noch im Mai: Beim Thema Wirtschaft trauen jetzt 22 Prozent der SPD am ehesten zu die Aufgaben zu lösen (+9), bei der Bewältigung der Corona-Krise sind es 20 Prozent (+11) und bei der Zuwanderungspolitik 19 Prozent (+7).
Union und Grüne hingegen bleiben hinter ihren zuletzt gemessenen Kompetenzwerten zurück. AfD und FDP schneiden im Kompetenzurteil der Bundesbürger ähnlich ab wie im Mai. Jeweils jeder achte Wahlberechtigte setzt auf die AfD in der Zuwanderungspolitik (13 Prozent; +1) und auf die FDP in der Wirtschaftspolitik (13 Prozent; -2). Der Linkspartei wird vorrangig in der Familienpolitik (8 Prozent; +/-0) und in Lohnfragen (9 Prozent; -3) Vertrauen entgegengebracht.
Umwelt- und Klimaschutz treibt die Wähler um
Bei der Frage, welches das wichtigste und welches das zweitwichtigste politische Problem in Deutschland ist, gibt es einen klaren Trend. Mit 33 Prozent der addierten Nennungen landet das Thema Umwelt- und Klimaschutz auf Platz 1.
22 Prozent nennen Zuwanderung und 18 Prozent Corona. 16 Prozent thematisieren Fragen der sozialen Ungerechtigkeit, 15 Prozent Probleme der Altersabsicherung.
Zur Bundestagswahl 2017 lag der Problemfokus der Bundesbürger mit 47 Prozent eindeutig auf dem Zuwanderungsthema. Dagegen hatte der Umwelt- und Klimaschutz vor vier Jahren mit neun Prozent der Nennungen nur einen nachrangigen Stellenwert.
Grundgesamtheit: Wahlberechtigte in Deutschland
Erhebungsmethode: Zufallsbasierte Telefon*- und Online-Befragung
*davon 60 Prozent Festnetz, 40 Prozent Mobilfunk
Erhebungszeitraum: 30. August bis 01. September 2021
Fallzahl: 1337 Befragte (874 Telefoninterviews und 463 Online Interviews)
Gewichtung: nach soziodemographischen Merkmalen und
Rückerinnerung Wahlverhalten / Sonntagsfrage mit separater Gewichtung
Schwankungsbreite: 2* bis 3** Prozentpunkte
* bei einem Anteilswert von 10 Prozent ** bei einem Anteilswert von 50 Prozent
Durchführendes Institut: infratest dimap
Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle eine Erhebung mit 1000 Befragten bei großen Parteien rund drei Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa einen Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird keine Partei unter drei Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.