Habeck auf Küstentour Wohlfühlwahlkampf im Watt
Robert Habeck barfuß im Watt, Habeck auf Sylt, auf Föhr und in Klixbüll: Der Grünen-Co-Chef ist auf Küstentour - und Baerbocks Schatten ist irgendwie immer dabei.
Robert Habeck hat die Hosenbeine hochgekrempelt und läuft barfuß durch das Watt vor der Küste Schleswig-Holsteins. Am Horizont ist der Leuchtturm Westerheversand auf der Halbinsel Eiderstedt zu sehen, umgeben von blühenden Salzwiesen.
Der Mann aus dem Norden, der Naturbursche - so will Habeck gesehen werden, und er schafft es auch hier wieder, dieses Bild öffentlichkeitswirksam zu zeichnen. Habeck informiert sich über den Nationalpark Wattenmeer, der Lebensraum ist für Seehunde, zahlreiche Vögel und Fische und Millionen Schnecken, Muscheln und Krebse.
Naturschützer allerdings mahnen: Er ist an vielen Stellen bedroht, durch Ölförderung und Fischerei, aber vor allem durch den Anstieg des Meeresspiegels. Das Wattenmeer braucht Unterstützung, das sieht auch Habeck so. Zu seiner Zeit als zuständiger Minister in Schleswig-Holstein seien die Konflikte groß gewesen zwischen Umweltschützern und denjenigen, die das Wattenmeer nutzen wollten, erinnert er sich.
Naturbursche Habeck: Der Grünen-Co-Chef Habeck produziert schöne Bilder.
Habeck ist in diesen Tagen auf Küstentour - quasi eine Vor-Wahlkampf-Tour durch seine Heimat, entlang der Küste Schleswig-Holsteins. Nicht nur hier, vor Westerhever, ist er bekannt, er kennt die Leute, man duzt sich. Wohlfühlambiente eben.
Habeck wirkt locker, gut gelaunt, gelassen. Seine Termine wechseln zwischen Projekt- oder Firmenbesuchen und klassischen Wahlkampfveranstaltungen, Townhalls nennen es die Grünen.
In Wyk auf Föhr spricht er zu mehreren Hundert Menschen, Einheimische und Touristen, im Hintergrund tummeln sich Wassersportler auf dem Meer. In Husum beantwortet er Fragen nach der Zukunft der E-Mobilität und wie sich die Altersversorgung ändern müsse.
Viele schöne Bilder
Habeck will die Zeit nutzen. In diesen Tagen kann er mit viel Aufmerksamkeit rechnen, schöne Bilder produzieren - und hoffen, die Umfragewerte der Grünen wieder nach oben lenken zu können.
Zum Auftakt seiner Reise in Klixbüll in Nordfriesland sitzt Habeck mit überdimensionierter Sonnenbrille auf einem Klappstuhl, auf dem Schoß ein kleines Schaltpult mit Steuerknüppel, wie man es für ferngesteuerte Autos kennt. Er lenkt einen Kite-Drachen, der an einer Seilwinde hängt und in der Höhenluft durch Auf-und Abwärtsbewegungen Strom erzeugt. Die Betreiber haben große Erwartungen und setzen viel Hoffnung auf eine grüne Regierungsbeteiligung.
Hochfliegende Pläne: Habeck will die Grünen an die Regierung bringen. Hier lenkt er aber erstmal nur einen Kite-Drachen.
Schon als Energieminister in Schleswig-Holstein hatte Habeck hier entscheidende Weichen für das Projekt gestellt. Dass er diese Erwartungen vielleicht enttäuschen muss, glaubt er nicht. "Wie man an dem Drachen sieht, der bewegt sich immer in einer Sinuskurve. Wenn es mal runter geht, geht es danach wieder hoch."
Habeck gibt sich nicht nur gut gelaunt. Er zeigt sich auch erstaunlich optimistisch angesichts der eher desaströsen zurückliegenden Wochen.
Irgendwie ist Baerbock immer dabei
Baerbock ist hier zwar kein Thema. Und doch ist ihr Schatten irgendwie dabei. Denn ohne die negativen Schlagzeilen der jüngsten Vergangenheit wäre Habeck jetzt wohl deutlich weniger Aufmerksamkeit zuteil. Als ihn die Betreiber der Windkraftanlage aus Spaß gleich hier behalten wollen, antwortet Habeck, das gehe nicht. Er habe noch etwas vor, er müsse heute Abend noch ein paar Prozentpunkte holen.
Prozentpunkte holen - aber wie? Baerbocks Fehler - jeder für sich betrachtet ist eine Kleinigkeit. Doch die Häufung kratzt am Markenkern der Grünen, ihrer Glaubwürdigkeit. Habeck weiß das. "Viele Fehler wurden selbst gemacht, da ist auch viel Vertrauen enttäuscht und Hoffnung gestört." Er hoffe, sie ist nicht zerstört worden. Er wolle jetzt seinen Beitrag leisten, um das Vertrauen der Menschen wieder herzustellen.
Dafür will er Menschen treffen, reden, erklären - zwei Wochen lang. Erst die Westküste, dann die Ostküste Schleswig-Holsteins entlang. Er klappert die typischen Ferienorte ab, an denen Menschen aus ganz Deutschland gerade zusammenkommen und Urlaub machen.
Ist Habeck doch der bessere Kandidat?
So wie auf Sylt. Vor mehreren Hundert Menschen geht es um Krabbenfischerei und Umweltschutz. Baerbock ist auf der Bühne kein Thema. Doch ihr Schatten liegt auch hier über der Veranstaltung. Die Pannenserie der ersten grünen Kanzlerkandidatin hat hier jeder mitbekommen. Und fragt man nach, hat jeder seine Meinung dazu. Manche finden es nicht weiter schlimm, so etwas passiere eben. Baerbock allein sei ja nicht die grüne Partei.
Und dann gibt es die, die sich sicher sind, dass Habeck der bessere Kandidat gewesen wäre, weil ihm solche Fehler nicht passiert wären, weil er einfach mehr Erfahrung habe.
Viele aber sind sich in einem Punkt einig: Es müsse nun um die Sache gehen. Um Inhalte, um Fragen, wie der Klimaschutz geschafft und der soziale Ausgleich gestaltet werden kann. Und da müssten auch die Grünen noch konkrete Antworten liefern. Denn bisher mussten sie ja vor allem über ihre Fehler reden.