EU-Reaktionen auf ungültiges Referendum "Eine Ohrfeige für Orbán"
Nach dem Scheitern des ungarischen Referendums über die Flüchtlingspolitik sehen viele EU-Politiker Regierungschef Orbán geschwächt. Am Widerstand der osteuropäischen Mitglieder gegen verbindliche Flüchtlingsquoten dürfte sich aber kaum etwas ändern.
In Brüssel reibt man sich die Hände: Wollte der ungarische Regierungschef Viktor Orbán doch die Abstimmung unter seinen Landsleuten dazu nutzen, um die EU und deren Flüchtlingspolitik abzustrafen. Doch nun hat sich Orbán, so der allgemeine Tenor, eher selbst bestraft: "Hier ging es nicht um ein Volksbegehren. Hier ging es um den Wunsch eines autoritären Herrschers, sich für seine fremdenfeindliche Politik die Bestätigung abzuholen. Aus der ist nun eine Ohrfeige geworden", meint der Vizepräsident des EU-Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff von der FDP.
"Echte Niederlage"
Dass Viktor Orbán es nicht schaffte, trotz massiven Aufwands, die Hälfte der Stimmberechtigten an die Urnen zu bewegen, macht auch der Fraktionschefin der Grünen im EU-Parlament, Rebecca Harms, Hoffnung: "Das Ergebnis ist für Viktor Orbán eine echte Niederlage. Aus Brüsseler Sicht ist das sehr gut, dass die Ungarn sich nicht haben vormachen lassen, dass Flüchtlinge oder Brüssel Verantwortung für ungarische Probleme tragen."
Doch trotz der unverhohlenen Freude im EU-Parlament darüber, dass der rechtsnationale Regierungschef in Budapest bei seiner nächsten Verbalattacke auf Brüssel nun immerhin nicht behaupten kann, für die Mehrheit seiner Landsleute zu sprechen. Einige nehmen es Orbán durchaus übel, dass er das Referendum überhaupt abgehalten hat: Abenteuerlich sei das, die Ungarn gegen Menschen in Not, gegen Flüchtlinge, aufzuhetzen, schimpft der Chef der CDU-CSU-Gruppe im EU-Parlament, Herbert Reul. Und fügt mit Blick auf die Fördergelder, die Ungarn aus den EU-Töpfen bezieht, hinzu: "Solidarität gilt nicht nur, wenn man Geld kassiert. Solidarität gilt auch, wenn man sich die Lasten teilt."
Jeder weiß: Einfacher wird es nach der ungarischen Abstimmung nicht, sich in der EU auf eine gemeinsame Flüchtlingspolitik zu einigen. Polen, Tschechien, die Slowakei und eben Ungarn haben ja unmissverständlich klargestellt, dass sie sich Solidarität nicht werden aufzwingen lassen - sie eine Flüchtlingsquote strikt ablehnen. Daran wird sich nichts ändern.
Auf der Suche nach neuen Wegen
"Meine Auffassung ist seit Langem, dass sich eine Gruppe von Mitgliedsstaaten zusammentun und mit gutem Beispiel vorangehen sollte", sagt Grünen-Politikerin Harms. Der CDU-Politiker Reul sieht nun die Chance gekommen, ganz in Ruhe über neue Wege nachzudenken. Meint aber, dass man das Werkzeug der Strafandrohung dabei nicht völlig aus der Hand legen sollte - das gelte für Staaten, die regelmäßig gegen Haushaltsregeln verstoßen genauso wie für Länder wie Ungarn, die getroffene Entscheidungen zur Flüchtlings-Verteilung missachten: "Vielleicht ist dann irgendwann der Zeitpunkt gekommen, dass Europa denen die rote Karte zeigen muss, die nur die Vorteile genießen."
Der FDP-Politiker Lambsdorff glaubt hingegen nicht, dass sich mit Zwang die aus seiner Sicht richtige Idee der gerechten Flüchtlingsverteilung durchpeitschen lässt: "Man muss auch Verständnis für die Menschen in Mittel- und Osteuropa haben. Auch in Deutschland tun sich die östlichen Bundesländer schwerer mit der Aufnahme von Flüchtlingen als im Westen."
Kein Stück klarer ist nach der Abstimmung in Ungarn, in welche Zukunft die EU gehen wird. Doch die leise Hoffnung in Brüssel ist, dass die geringe Beteiligung den Rechtspopulisten in ganz Europa einen kleinen Dämpfer versetzt hat.