EuGH-Urteil zu Justizreform Niederlage für Polens Regierung
Eine weitere Schlappe für die polnische Regierung bei der Durchsetzung ihrer Justizreform: Nach polnischen Gerichten urteilt nun auch der EuGH, dass eine umstrittene Kammer zur Disziplinierung von Richtern ihre Arbeit aussetzen muss.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat die im Jahr 2018 eingerichtete Disziplinarkammer für das polnische Oberste Gericht auf Eis gelegt. Der EuGH folgte damit einem Antrag der EU-Kommission, die bemängelt hatte, dass die Disziplinarkammer nicht unabhängig sei. Diese Sorge sei "nicht ohne ernsthafte Grundlage", erklärte der EuGH.
Baustein der Justizreform
Die Disziplinarkammer ist ein Schlüsselelement der von der nationalkonservativen PiS-Regierung initiierten Justizreform. Sie ist für die Richter der ordentlichen Gerichte und insbesondere auch des Obersten Gerichts zuständig und kann jeden Richter oder Staatsanwalt entlassen. Die Kammer wurde bislang mit zehn Mitgliedern besetzt; die meisten sind Staatsanwälte und PiS-nahe Juristen.
Ernannt wurden die Mitglieder der Disziplinarkammer vom Präsidenten der Republik, ausgewählt vom Landesjustizrat. Der Landesjustizrat wiederum wird von der Abgeordnetenkammer gewählt. Bereits im November forderte der EuGH, dass die Disziplinarkammer unabhängig sein müsse, und stellte hierfür klare Kriterien auf.
Das Oberste Gericht in Warschau befand daraufhin, dass die Disziplinarkammer gar kein Gericht sei. Die Kammer setzte ihre Arbeit trotzdem fort.
Eilverfahren gegen Polen
Bereits im Oktober hatte die EU-Kommission eine Vertragsverletzungsklage gegen Polen erhoben und beantragte zuletzt beim EuGH eine einstweilige Anordnung. Dem gaben die obersten EU-Richter nun statt. Danach muss Polen die Arbeit der Disziplinarkammer "unverzüglich aussetzen". Zwar könne das Eilverfahren das Ergebnis im Hauptverfahren nicht vorwegnehmen. Es sei hier aber so, dass die Vertragsverletzungsklage wegen fehlender Unabhängigkeit der Disziplinarkammer "auf den ersten Blick nicht ohne ernsthafte Grundlage erscheint".
Sollte sich dies bestätigen, würde dies die Unabhängigkeit der polnischen Gerichte beeinträchtigen. Denn die Richter wären der Gefahr von Disziplinarverfahren ausgesetzt, die nicht unabhängig überprüft werden. Dabei gehe es auch um Rechte, die die polnischen Bürger aus dem EU-Recht ableiten können, betonte der EuGH. Die Arbeit einer nicht unabhängigen Disziplinarkammer würde daher "einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden für die Unionsrechtsordnung verursachen".
Eine finanzielle Sanktion ist übrigens mit dieser Entscheidung nicht verbunden - die will die EU-Kommission erst beantragen, wenn die polnische Regierung die Arbeit der Disziplinarkammer tatsächlich nicht aussetzen sollte.