Orban-Berater löst Debatte aus Eine neue Interpretation des Ungarn-Aufstands?
Die Erinnerung an den Aufstand von 1956 gegen die sowjetischen Besatzer ist vielen Ungarn wichtig. Umso größer war der Skandal, als ein Berater von Regierungschef Orban den Widerstand der Ukraine gegen Russland als Fehler bezeichnete.
Der Nationalfeiertag am 23. Oktober ist ein emotionaler Tag für viele Ungarn. Das Land gedenkt des Aufstandes gegen die sowjetischen Besatzer 1956. Was mit Studentenprotesten begann, wurde zu einer landesweiten Rebellion gegen das kommunistische Regime, die die Sowjetunion blutig niederschlagen ließ.
Umso brisanter sind die Aussagen von Balazs Orban, Berater des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban. Der enge Mitarbeiter des Regierungschefs erklärte Ende September, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hätte sein Land besser nicht gegen die Russen verteidigen sollen:
Auf der Grundlage von '56 hätten wir wahrscheinlich nicht getan, was Präsident Selenskyj vor zweieinhalb Jahren getan hat - weil es unverantwortlich ist, weil es scheint, dass er sein Land in die Defensive gedrängt hat. So viele Menschen starben, so viel Territorium wurde verloren, und ich wiederhole, es ist ihr Recht, es ist ihre souveräne Entscheidung, das zu tun. Aber wenn wir gefragt worden wären, hätten wir nicht dazu geraten.
Am Ende mit seinen Äußerungen allein auf weiter Flur: Balazs Orban
Orbans Blockadekurs
Die Äußerungen von Balazs Orban lösten in Ungarn ein politisches Erdbeben aus, untergraben sie doch das zentrale Narrativ über Souveränität und Heimatschutz, das die Regierung seit Jahren zelebriert.
Beobachter bezeichnen die Vorkommnisse als größten Skandal des Jahres, selbst Regierungschef Viktor Orban sah sich gezwungen, Schadensbegrenzung zu betreiben und bezeichnete die Äußerungen als Fehler.
Dabei steht Viktor Orban selbst immer wieder in der Kritik für seinen prorussischen Kuschelkurs. Ungarns Wirtschaft hängt zunehmend von Russland ab, obwohl die EU-Kommission seit langem fordert, das Land müsse sich beispielsweise unabhängig von russischem Erdöl machen.
EU-Sanktionen gegen Russlands Wirtschaft hat Ungarn wiederholt blockiert, da das Maßnahmenpaket nicht zum Ende des Krieges beitragen würde, so der rechtspopulistische Regierungschef.
Auch legte Orban auf europäischer Ebene ein Veto ein, um Hilfspakete für die Ukraine zu blockieren und unterzeichnete im Juli ein Dekret, das die Ausstellung von Arbeitsvisa unter anderem für russische Staatsbürger erleichtert. Eine Provokation, die im EU-Parlament und in der Kommission für große Entrüstung sorgte.
Die Opposition distanziert sich
Vor diesem Hintergrund sind die jüngsten Äußerungen zur Ukraine-Politik des Chefberaters überaus heikel. Vor allem aus der Opposition kommt scharfe Kritik. So erklärte Ferenc Gyurcsany, Vorsitzender der Demokratischen Koalition, man habe gesehen, dass "die Regierung Orban Ungarn widerstandslos an die Russen ausliefern würde".
Auch der derzeit politisch einflussreichste Oppositionspolitiker, Peter Magyar, Vorsitzender der Partei Tisza, äußerte sich empört und forderte den Rücktritt des politischen Beraters:
Balazs Orbán hat alle Grenzen überschritten. Er hat einige ungeheuerliche Sätze geäußert, um 13 der strahlendsten Tage in der ungarischen Geschichte des 20. Jahrhunderts für die niederträchtige täglichen Propaganda zu opfern. Mit diesen Sätzen hat Balazs Orbán das Andenken an Tausende von ungarischen Freiheitskämpfern erniedrigt, von denen Hunderte - im Gegensatz zu Balazs Orbán - bereit waren, ihr Leben für die Freiheit und Unabhängigkeit ihres Landes zu opfern.
Ein Herausforderer für Orban
Magyar hatte mit seiner Partei Tisza bei den Europawahlen aus dem Stand fast 30 Prozent der Stimmen geholt. Im EU-Parlament hat seine Partei sieben Mandate und ist Teil der Europäischen Volkspartei.
Jüngste Umfragen sehen Tisza fast gleichauf mit Orbans Fidesz, was bedeutet, dass der ungarische Ministerpräsident nun erstmals seit langer Zeit wieder einen ernstzunehmenden Herausforderer hat, der ihm auch bei den Parlamentswahlen in eineinhalb Jahren gefährlich werden könnte.
Zum Krieg im Nachbarland Ukraine vertritt Magyar eine klare Position: Putin sei der Aggressor und das ukrainische Volk habe das Recht, sein Land zu verteidigen.
Bei der Parlamentswahl 2026 will Magyar Viktor Orban besiegen, denn die große Mehrheit habe genug von der Korruption und den schlechten Lebensumständen. Er sei sich zu 100 Prozent sicher, dass dieser Plan gelingen könne, sagte er jüngst in einem Interview mit dem ORF.