Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs Der Gipfel der Harmonie
Auf ihrem zweitägigen Gipfeltreffen diskutieren die Staats- und Regierungschefs der EU über die Perspektiven der Gemeinschaft. Tenor: Für neue Mitglieder offen bleiben, aber zu verschärften Bedingungen für Beitrittskandidaten. Ansonsten soll es vor allem ein Gipfel ohne Streit sein.
Von Michael Becker, MDR-Hörfunkkorrespondent Brüssel
Es war ein eher harmonischer Abend für die Damen und Herren Staats- und Regierungschefs. Man ließ sich das Essen schmecken - es gab Hirschkuhfilet - und lauschte den Wortmeldungen der Kollegen. Die Blicke richteten sich dabei besonders auf Angela Merkel - kein Wunder, ab Januar wird sie Regie führen in der Runde, denn Deutschland übernimmt die EU-Präsidentschaft.
Verfassung im künstlichen Koma
Für Merkel gab es auch gleich den ersten Arbeitsauftrag: Deutschland soll das Projekt EU-Verfassung wieder anschieben - die liegt seit anderthalb Jahren quasi im künstlichen Koma, seitdem Franzosen und Niederländer sie abgelehnt hatten. "Ich glaube wir werden echte Fortschritte während der deutschen Präsidentschaft erzielen", meinte Jose Manuel Barroso, der Präsident der EU-Kommission.
Die Erwartungen sind groß - niemand weiß, ob und wie die EU-Verfassung überhaupt zu retten ist, aber man traut den Deutschen zu, dass sie die EU aus dieser Sackgasse wieder heraus manövrieren können. Das Ziel ist, dass Merkel im Juni einen Fahrplan vorlegt, der dafür sorgen soll, dass es spätestens bis zur Europawahl Mitte 2009 eine Lösung gibt. Denn in einem Punkt sind sich alle einig: Die EU muss sich reformieren, vorher kann es keine Erweiterung mehr geben - nur Bulgarien und Rumänien werden noch zum 1. Januar beitreten.
"Wir müssen erst unser Haus in Ordnung bringen"
In Zukunft soll mehr darauf geachtet werden, dass auch wirklich alle Bedingungen für den Beitritt erfüllt werden - eine Reaktion darauf, dass viele meinen, Bulgarien und Rumänien seien noch gar nicht so weit. Außerdem soll der Zustand der EU eine größere Rolle spielen - hat sie überhaupt die Kraft, neue Mitglieder zu integrieren?
"Das Ziel ist es, einen neuen gemeinsamen Nenner bei der Erweiterung zu finden - aber es geht nicht darum, neue Hürden aufzubauen oder Türen zu schließen", meinte Matti Vanhanen, der finnische Regierungschef und amtierende EU-Vorsitzende. "Wir müssen erst unser Haus in Ordnung bringen, bevor wir neue Bewohner aufnehmen", sagte Luxemburgs Premierminister Jean Claude Juncker.
Vorfreude auf die EU-Präsidentschaft
Wer die neuen Bewohner sein sollen, das steht schon fest und ist auch nicht umstritten: Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Albanien, Mazedonien und allen voran Kroatien - sie alle haben die Fahrkarte schon in der Hand. Die Frage ist nur, wann es soweit ist. Wirklich umstritten ist nur ein Kandidat: die Türkei.
Das Thema wurde gestern Abend ganz bewusst nicht diskutiert, denn da gehen die Meinungen sehr weit auseinander. So ist es das, was es sein soll: ein Harmonie-Gipfel. Angela Merkel gab sich gut gelaunt - die Vorfreude auf die deutsche EU-Präsidentschaft ist ihr anzumerken. Vielleicht wird sie sich heute bei ihrem finnischen Kollegen Vanhanen noch den ein oder anderen Tipp holen.