EU-Gipfel in Brüssel Hohe Erwartungen an Deutschland
Der Berg Arbeit, der auf Kanzlerin Merkel zukommt, ist mindestens ebenso groß wie die Erwartungen, die an die kommende deutsche EU-Ratspräsidentschaft geknüpft sind. Das wurde auf dem EU-Gipfel in Brüssel deutlich. Merkel ist angesichts vieler guter Wünsche aber optimistisch.
Von Michael Becker, MDR-Hörfunkkorrespondent Brüssel
Der Countdown läuft - in zwei Wochen ist es soweit, dann beginnt die deutsche EU-Präsidentschaft. Bundeskanzlerin Angela Merkel stand bereits bei diesem EU-Gipfel weitgehend im Mittelpunkt des Interesses. Sie freue sich auf die Präsidentschaft, sagte Merkel in Brüssel. "Ich habe gespürt, dass man uns viel Erfolg wünscht. Wir gehen mit realistischen Erwägungen an diese Präsidentschaft, aber wir haben natürlich auch den Ehrgeiz, die Europäische Union ein Stück voranzubringen."
Einiges ist liegengeblieben
Die Erwartungen an die Deutschen sind hoch. Vor allem beim Thema EU-Verfassung soll die Kanzlerin das schaffen, was in den zurückliegenden anderthalb Jahren nicht gelungen ist: das Projekt EU-Verfassung wieder anzuschieben. Seitdem die Verfassung bei Volksabstimmungen in Frankreich und in den Niederlanden durchgefallen ist, liegt sie in der Schublade. Ob sie und wie viel von ihr noch zu retten ist, das weiß im Moment noch niemand. Aber eins steht fest: So wie die EU jetzt organisiert ist, kann sie nicht bleiben. "Die Institutionen müssen an die EU-Erweiterung angepasst werden", sagte der französische Präsident Jacques Chirac.
Gesucht: Fahrplan zur Verfassung
So lange die EU ihre Entscheidungsprozesse und ihre Institutionen nicht neu geregelt hat, so lange kann es auch keine neue Erweiterung mehr geben - darüber sind sich alle einig. Merkel soll am Ende der deutschen Präsidentschaft im Juni einen Fahrplan vorlegen, wie es mit der EU-Verfassung weitergehen soll.
Nur Bulgarien und Rumänien werden noch wie geplant zum 1. Januar beitreten - zum Auftakt der deutschen EU-Präsidentschaft. Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Albanien, Mazedonien und vor allem Kroatien - sie alle haben die Fahrkarte in die EU schon in der Hand - die Frage ist nur, wann es soweit ist. Was am Ende aus den Verhandlungen mit der Türkei wird, ist dagegen völlig offen.
Chiracs Tipp: Ein Glöckchen für Merkel
Der französische Präsident Chirac stellte am Ende des Gipfels etwas müde fest, die Debatte über die Erweiterung sei zwar sehr interessant gewesen - sie habe nur viel zu lange gedauert. Für Merkel hatte er deshalb einen Tipp: Als er die EU-Präsidentschaft inne hatte, habe er immer ein kleines Glöckchen auf dem Tisch gehabt, und nach drei Minuten Redezeit für jeden Kollegen damit geläutet. "Ich habe Frau Merkel dringend geraten, das genau so zu machen. Sie schien mir sehr überzeugt davon zu sein", meinte Chirac.
Gutgemeinte Ratschläge zur deutschen Präsidentschaft nimmt Angela Merkel zur Zeit gerne entgegen.