Hugh Williamson, Financial Times, Großbritannien "Merkel wird nicht gemocht - sie beeindruckt"
„Beeindruckt“ habe ihn, aber auch Diplomaten aus Großbritannien und anderen Ländern, die gute Organisation der deutschen Ratspräsidentschaft, sagt Financial Times-Korrespondent Hugh Williamson. Eine komplett gute Note vergibt er aber nicht: „Die außenpolitischen Ziele hat Deutschland verfehlt.“
Durch die Bank loben die ausländischen Korrespondenten die Leistung der deutschen EU-Ratspräsidentschaft beim EU-Gipfel in Brüssel am vergangenen Wochenende. So auch bei Hugh Williamson, der von Berlin aus für die britische Financial Times berichtet: „Ob Deutschland als Staat von dem Kompromiss auf den Grundlagenvertrag profitiert, ist die eine Frage. Aber es ist ein Erfolg, dass Deutschland es geschafft hat, so viele unterschiedliche Wünsche und Meinungen zu vereinen“, sagt Williamson.
Merkel: unauffällig, entschlossen, pragmatisch
Besonders war hier nach Ansicht von Williamson die "begabte Moderatorin" Merkel in ihrem Element: „Sie ist unauffällig, aber trotzdem entschlossen, und sehr pragmatisch. Die Kombination dieser drei Fähigkeiten war sehr wichtig in der Präsidentschaft.“
Diese Eigenschaften Merkels, die sich auf ihren kompletten Stab übertragen ließen, beeindruckten Amateure wie Profis gleichermaßen, berichtet Williamson: "Ich habe oft von Diplomaten in Berlin gehört, aus Großbritannien und auch aus anderen Ländern, dass sie beeindruckt sind, wie gut organisiert die deutsche Ratspräsidentschaft war.“ Auch den Respekt der britischen Bürger genieße Merkel – wenngleich sie auch keine Kanzlerin der Herzen sei: "Merkel wird nicht gemocht. Sie beeindruckt.“
Das große Defitiz: Außenpolitik
So weitsichtig und erfolgreich die Deutschen ihre Ziele – vor allem Klimaschutz und die umstrittene EU-Verfassung - während der Präsidentschaft auch verfolgt hätten – alles geglückt ist ihnen nicht. Die Defizite der deutschen EU-Ratspräsidentschaft lassen sich für Williamson auf eine Formel bringen: Außenpolitik. "Es gab dort drei Themen, in denen Steinmeier unbedingt einen Durchbruch erzielen wollte: der Status des Kosovo, der neue EU-Vertrag mit Russland und die Wiederbelebung des Nahostquartetts.“ Williamsons vernichtende Bilanz: "In der Kosovo-Frage gibt es keine Fortschritte, und in den anderen beiden Bereichen deutliche Rückschritte.“ Allerdings sieht er "wenig Schuld" beim deutschen Außenminister.
Bei aller Bewunderung: Auch an Merkels Verhandlungsstil lasse sich noch feilen, meint Williamson. Zu kompromissbereit findet er die Kanzlerin zeitweilig. "Man muss in Kauf nehmen, dass auf dem Weg zu langfristigen Zielen auch mal Gespräche scheitern.“