Wagner-Truppe in der Ukraine Russlands Söldnerarmee, die keine sein darf
Sie sind für ihre Skrupellosigkeit gefürchtet: die Söldner der Wagner-Truppe. Weltweit im Einsatz, kämpfen sie gerade vor allem an der Seite der russischen Armee in der Ukraine. Welche Rolle spielen die Kämpfer dort?
Für ihren Chef, Ewgenij Prigoschin, ist klar, dass die Wagner-Truppe eine entscheidende Rolle in der sogenannten "militärischen Spezialoperation" in der Ukraine spielt: auch aktuell, im Kampf um die Stadt Soledar. Wer oder was aber ist diese Truppe, die wie eine private Schattenarmee innerhalb der russischen Militärstrukturen wirkt, aber keine Privatarmee sein darf? Denn Söldnertum und Privatarmeen sind in Russland strikt verboten.
Druck und Dementis
Lange Jahre war um die Wagner-Truppe in Russland ein großes Geheimnis gemacht worden. Wer versuchte, etwas über die Kämpfer, ihre Strukturen, über verdeckte Einsätze in der Ukraine, Syrien oder Libyen herauszufinden, wurde nicht selten eingeschüchtert und unter Druck gesetzt. Von offizieller Seite gab es Dementis mit dem Hinweis darauf, dass in Russland Privatarmeen verboten seien und auf Söldnertum hohe Haftstrafen stünden.
Wagner - das war in Präsident Wladimir Putins Augen keine Truppe, sondern eine Gruppe. Eine private Sicherheitsfirma mit vielen Interessen: "Was Wagner angeht und was sie machen, alles muss im rechtlichen Rahmen bleiben. Wenn diese Wagner-Gruppe gegen irgendwelche Gesetze verstößt, dann muss die Generalstaatsanwaltschaft das bewerten."
Höchste Orden statt Klagen
Statt Klagen aber gab es höchste Orden. Unter anderem für Dmitri Utkin, einen ehemaligen Mitarbeiter des russischen Militärnachrichtendienstes GRU. Dessen Vorliebe für einen deutschen Komponisten soll ihm den Kampfnamen "Wagner" eingebracht haben. Seine Einheit, das belegen Recherchen russischer Investigativjournalisten, kämpfte bereits 2014, zu Beginn des Ostukraine-Konfliktes, im Donbass. Während die Teilnahme der Wagner-Kämpfer an entscheidenden Schlachten damals von russischer Seite bestmöglich verschleiert wurde, wird ihr Einsatz heute in den sozialen Medien regelrecht gefeiert.
Prigoschin, der sich inzwischen als Gründer und Chef der Wagner-Truppe geoutet hat, wird nicht müde, die zentrale Rolle seiner Kämpfer bei der sogenannten "Militärischen Spezialoperation" zu unterstreichen. Sie seien es, behauptet er, die die Kontrolle über das Gebiet in Soledar übernommen hätten: "Ich möchte noch einmal betonen, dass am Sturm Soledars keine anderen Einheiten teilgenommen haben als die Wagner-Kämpfer." Militärbeobachter halten es für gut möglich, dass die Wagner-Truppen in der Ukraine weitgehend autark agieren und in ihren Strukturen bleiben.
Offiziell stehen sie wie alle anderen unter dem Kommando der sogenannten Vereinigten Kampfgruppen: nicht als Söldner, natürlich, nicht als Prigoschins Privatarmee. Subsumieren könnte man sie aber zum Beispiel unter die Freiwilligenverbände, die, wie Präsident Putin unlängst lobte, Seite an Seite mit den Berufssoldaten kämpften: "Menschen verschiedener Nationalitäten, Berufe und Altersgruppen. Echte Patrioten, die ihrem Herzen gefolgt sind, um Russland und den Donbass zu verteidigen."
Amnestie als Preis für Fronteinsatz
Dass es auch andere Gründe geben dürfte, machen nicht nur Prigoschins Rekrutierungsaktionen in russischen Gefängnissen deutlich. Geboten wird eine Amnestie als Preis für einen Fronteinsatz. Grundsätzlich, so russische Insider, würden reguläre Wagner-Kämpfer besser als gewöhnliche Soldaten verdienen. Dafür würden sie mitten in die Schlacht geschickt. Ohne Rücksicht auf Verluste - in den eigenen Reihen und in den Reihen der Gegner.
Bislang schienen die Rollen klar verteilt: Die Wagner-Truppe tauchte in der Regel - mit schwerem Gerät bestens ausgestattet - dort auf, wo die russischen Streitkräfte aus politischen Gründen nicht sein sollten oder konnten. Im gemeinsamen Kampf in der Ukraine scheint man sich dagegen weniger einig zu sein. Wer hier gerade welche Rolle spielt, darüber kann mit Blick auf die Wagner-Truppe, ihre Struktur und ihre aktuelle Aufgabe im sicherheitspolitischen System Putins nur spekuliert werden.