Beschluss der Orban-Regierung Ungarn lässt fast 1.500 Menschenhändler frei
Insgesamt 2.600 Kriminelle saßen in Ungarn wegen Menschenhandels in Haft - ein Großteil wurde nun entlassen. Budapest begründet das mit überfüllten Gefängnissen im ganzen Land. Die EU geht dagegen vor.
In den vergangenen vier Monaten hat Ungarn offiziellen Angaben zufolge 1.468 wegen Menschenhandels verurteilte Gefangene freigelassen. Die nationale Strafvollzugsbehörde bestätigte dies der Nachrichtenagentur AFP mit dem Zusatz, dass es sich um Inhaftierte "ausländischer Nationalität" handele.
Ein Großteil der insgesamt 2.600 gefangenen Menschenschmuggler stammt aus benachbarten Ländern wie etwa Rumänien, Serbien und der Ukraine. Die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban hatte die Freilassung bereits Ende April beschlossen und dies mit überfüllten Gefängnissen im ganzen Land begründet.
EU-Kommission prangert fehlende Kontrolle an
Dagegen geht die EU-Kommission vor. Im Juli leitete sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Budapest ein. Ungarn wiederum hatte ein entsprechendes Regierungsdekret erlassen. Demnach ist die Freilassung an die Bedingung geknüpft, dass die Freigelassenen das ungarische Staatsgebiet nach der Haftentlassung "binnen 72 Stunden" verlassen müssen, um den Rest ihrer Strafe in ihrem Heimatland zu verbüßen.
Der EU-Kommission zufolge sieht das Dekret jedoch keinerlei Kontrolle durch Ungarn vor, ob die Freigelassenen tatsächlich der Aufforderung Folge leisten.
Österreich verschärft Grenzkontrollen
Direkte Nachbarn wie Österreich hatten mit verschärften Grenzkontrollen reagiert und den ungarischen Botschafter in Wien einbestellt. Österreich ist eines der Zielländer, die Menschenhändler für den Schmuggel von Migranten vom Balkan über Ungarn bevorzugen. Die Freilassung von verurteilten Menschenhändlern ist daher laut Wien eine Sicherheitsbedrohung.
Beobachter sehen in der Entscheidung Ungarns eine Vergeltungsmaßnahme gegen Brüssel aufgrund des anhaltenden Streits um die europäische Migrationspolitik. Dazu hatte der stellvertretende ungarische Innenminister Bence Retvari erklärt, dass sich sein Land zu der Entscheidung quasi genötigt fühle, da die EU sich nicht an den Kosten für die Inhaftierung von Menschenhändlern oder den Bau neuer Gefängnisse beteilige.