Am ukrainischen Unabhängigkeitstag 25 Tote bei Angriff auf Bahnhof
Nach ihrem Unabhängigkeitstag trauert die Ukraine um die vielen Todesopfer eines russischen Raketenangriffs auf einen Personenzug. Mindestens 25 Menschen kamen dabei ums Leben.
Nach einem Raketenangriff auf einen Bahnhof in der Ukraine ist die Zahl der Toten auf mindestens 25 Menschen gestiegen.
Der Angriff habe einem Bahnhof in der Kleinstadt Tschaplyne in der zentralukrainischen Region Dnipropetrowsk gegolten, berichteten ukrainische Nachrichtenagenturen unter Berufung auf eine Ansprache Selenskyjs an den UN-Sicherheitsrat via Video-Link. Fünf Bahnwaggons wurden demnach von einer Rakete getroffen.
Unter den Todesopfern seien fünf Menschen, die in ihrem Wagen verbrannt seien. Ferner befand sich unter den Todesopfern nach Selenskyjs Angaben ein elfjähriger Junge. Er sei in seinem Haus gestorben, das von einer russischen Rakete zerstört worden sei. In seiner abendlichen Videobotschaft ans Volk sagte der Staatschef später: "Tschaplyne ist heute unser Schmerz."
Angriff am Unabhängigkeitstag
Am Mittwoch beging die Ukraine den Unabhängigkeitstag, an dem das Land an die Unabhängigkeitserklärung von der Sowjetunion im Jahr 1991 erinnert. Vor genau sechs Monaten - am 24. Februar - marschierte Russland in das Nachbarland ein.
Selenskyj hatte bereits seit Tagen davor gewarnt, dass Moskau diese Woche "etwas besonders Grausames" versuchen könnte. Am Mittwoch waren keine Feiern geplant, größere Versammlungen waren aus Sorge vor russischen Angriffen in der Hauptstadt Kiew bis Donnerstag verboten.
"Vor sechs Monaten hat Russland uns den Krieg erklärt", erklärte Selenskyj in seiner Botschaft an das ukrainische Volk. "Am 24. Februar wurde uns gesagt: Ihr habt keine Chance. Am 24. August sagen wir: Alles Gute zum Unabhängigkeitstag, Ukraine!"
Luftschutzsirenen in Kiew
Der Präsident rief seine Landsleute auf, wachsam zu sein. "Russische Provokationen und brutale Angriffe sind möglich", sagte er. In Kiew rissen am Morgen Luftschutzsirenen die Bewohner aus dem Schlaf. Einige wenige Menschen kamen auf einem Platz im Zentrum zusammen, auf dem am Wochenende zerstörte russische Panzer präsentiert worden waren. Dort wird auch jeden Morgen um 7.00 Uhr die Nationalhymne gespielt.
In der Ostukraine griffen die russischen Truppen nach ukrainischen Angaben erneut Städte und Dörfer in der Region Donezk an. Dabei sei ein Mensch ums Leben gekommen, zwei weitere seien verletzt worden.
Schoigu: "Tun alles, um zivile Opfer zu vermeiden"
An der Front im Süden sollen erneut die Städte Nikopol und Marhanez Ziel von Angriffen gewesen sein. Mehrere Gebäude wurden beschädigt, zwei Menschen erlitten Verletzungen, wie das Gouverneursbüro mitteilte. Das russische Militär soll auch die Stadt Saporischschja beschossen haben. Von dort wurden keine Opfer gemeldet.
Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu sagte, Russland setze bei Angriffen auf militärische Ziele in der Ukraine Hochpräzisionswaffen ein und tue "alles, um zivile Opfer zu vermeiden". Das verlangsame "unzweifelhaft" das Tempo der eigenen Offensive, das sei aber so gewollt. Die russischen Streitkräfte haben nach Einschätzung westlicher Militärfachleute ihre vom Kreml gesteckten Ziele in ihrem Angriffskrieg bisher nicht erreicht.
Baerbock sieht derzeit keinen Sinn in Friedensgesprächen
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) machte unterdessen deutlich, dass sie in möglichen Gesprächen mit der russischen Regierung über eine Beendigung des Ukraine-Kriegs in der derzeitigen Lage keinen Sinn sieht. Moskau sei nicht mal dazu bereit, "über humanitäre Korridore wirklich umfänglich zu verhandeln", sagte Baerbock in einem Interview mit dem ZDF-"heute journal".
Die Bundesaußenministerin betonte, bis zum Beginn der russischen Invasion sei von westlicher Seite "alles dafür getan" worden, um diesen Krieg zu verhindern. Der russische Präsident Wladimir Putin habe aber alles dafür getan, "genau diese Friedensgespräche zu zerstören, jetzt zerstört er seit sechs Monaten ein unschuldiges Land". Derzeit gebe es deshalb nicht mehr zu tun, als weiterhin "mit Waffenlieferungen die Ukraine zu unterstützen".
USA warnen erneut vor russischen "Schein-Referenden"
Derweil warnten die USA erneut davor, dass Russland bald manipulierte Referenden in besetzten ukrainischen Gebieten für einen Anschluss an Moskau abhalten könnte. Die russische Führung habe Regierungsvertreter angewiesen, "Schein-Referenden" unter anderem in den Regionen Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja vorzubereiten, sagte der für die nationale Sicherheit zuständige Sprecher des Weißen Hauses, John Kirby.
"Diese Referenden könnten binnen Tagen oder Wochen beginnen", sagte Kirby. "Tatsache ist, wir könnten eine russische Ankündigung des ersten Referendums oder der ersten Referenden noch vor Ende dieser Woche sehen." Russland wolle die Ergebnisse der Volksabstimmungen manipulieren um damit den falschen Eindruck zu erwecken, die Ukrainer wollten sich Russland anschließen, sagte Kirby.