Armenien und Aserbaidschan Etwas Optimismus nach unterkühltem Treffen
Seit Jahren verharren Armenien und Aserbaidschan im Kriegszustand. Unter Vermittlung von Kanzler Scholz haben sich nun beide Regierungschefs in München getroffen - und angekündigt, ihre Konflikte friedlich lösen zu wollen.
Angesichts der Krisen weltweit überwiegt Pessimismus bei der Sicherheitskonferenz in München. Da ist es schon ein Lichtblick, dass Bundeskanzler Olaf Scholz ein kurzes Treffen zweier Staatsmänner vermitteln konnte, deren Länder seit Jahrzehnten im Kriegszustand verharren - Armenien und Aserbaidschan.
Nachdem Scholz sich zunächst mit Armeniens Premier Nikol Paschinjan und dann mit Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew getroffen hatte, kamen alle drei zu einem Austausch zusammen.
Scholz habe für einen zügigen Abschluss der Friedensverhandlungen zwischen beiden Ländern geworben, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit danach mit. Beide Seiten hätten zugesagt, "die bestehenden Meinungsverschiedenheiten und offenen Fragen ausschließlich auf friedlichem Wege und ohne Anwendung von Gewalt zu lösen".
Vorarbeit hatte Außenministerin Annalena Baerbock geleistet. Bei einem Besuch der beiden Südkaukasus-Republiken Anfang November hatte sie beiden Staaten gleichermaßen Unterstützung der Bundesrepublik bei ihren Friedensverhandlungen angeboten, nachdem Alijew in den vergangenen Monaten mehrere Treffen unter Vermittlung der EU und der USA abgesagt hatte.
Vier armenische Soldaten getötet
Beim Fototermin mit Scholz gaben sich Paschinjan und Alijew nicht die Hand. Es fiel kein Wort, die Stimmung wirkte unterkühlt.
Anfang der Woche erst waren an der gemeinsamen Grenze bei Schusswechseln vier armenische Soldaten getötet und ein aserbaidschanischer Soldat verwundet worden. Paschinjan warnte danach, dass Aserbaidschan mit Angriffen auf armenisches Territorium einen Krieg einläuten könnte.
Alijew fordert eine Verbindung in die aserbaidschanische Exklave Nachitschewan, dies auf armenischem Territorium. Über diese Straßen- und Eisenbahnverbindung verhandeln beide Staaten seit drei Jahren. Dieser "Korridor" soll Teil einer gigantischen Transportroute von der Türkei bis weit nach Asien werden. Aserbaidschan will auch wirtschaftlich davon profitieren.
Gefahr eines Flächenbrands
Bedingung ist für Alijew, dass Aserbaidschan Kontrolle über diesen "Korridor" ausübt, dieser mithin Armenien durchschneidet. Dagegen sind allerdings nicht nur die Armenier. Auch der südliche Nachbar Iran sieht dadurch seine strategischen Interessen gefährdet. Das machte dessen Führung deutlich, als aserbaidschanische Streitkräfte im September 2022 auf armenisches Territorium vordrangen.
Die Gefahr eines Flächenbrandes vor Augen übten auch die USA und die EU Druck aus und versuchten, zwischen Armenien und Aserbaidschan zu vermitteln. Sechs Mal kamen Paschinjan und Alijew mit EU-Ratspräsident Charles Michel zusammen, zuletzt Mitte Juli 2023.
Ein Platz in den Geschichtsbüchern
Doch parallel plante Alijew die endgültige Lösung eines anderen Konfliktes mit Armenien auf militärischem Wege, obwohl er eine friedliche Beilegung im Streit um Bergkarabach versprochen hatte.
In einer, wie Alijew es nannte, "Antiterroroperation" marschierten seine Streitkräfte im September 2023 in Bergkarabach ein. Die dort lebenden 100.000 Armenier ergriffen die Flucht. Eine Rückkehr können sie sich nicht vorstellen, wenn sie unter Herrschaft Alijews leben müssten.
Für Aserbaidschan ging damit ein nationales Trauma zu Ende, das mit einem Krieg Anfang der 1990er-Jahre und der Vertreibung Hunderttausender Aserbaidschaner begonnen hatte. Die Rückeroberung Bergkarabachs verschafft Alijew einen Platz in den Geschichtsbüchern und neue Legitimität als Präsident, der er bereits seit 20 Jahren ist. Mit einer vorgezogenen Präsidentschaftswahl am 7. Februar sicherte er sich weitere sieben Jahre an der Macht.
Doch gibt sich Alijew deswegen nicht nachgiebiger gegenüber Armenien, wo die Menschen einen baldigen Einmarsch Aserbaidschans fürchten.
Alijew sieht neue Horizonte
Alijew seinerseits gibt vor, sich nun auf größere Horizonte auszurichten. Aserbaidschan solle nach vorn schauen und globale Probleme angehen, schrieb er am Abend vor dem Treffen mit Scholz und Paschinjan auf X, eines davon der weltweite Klimawandel.
Aserbaidschan richtet im November die nächste UN-Klimakonferenz COP29 aus. Vorbereitet wird sie federführend von Umweltminister Muchtar Babajew, der bei der Münchner Sicherheitskonferenz in einem Panel zu Umweltdiplomatie auftrat.
Dahinter steht auch das Ziel, Aserbaidschan als Produzent nachhaltiger Energien zu etablieren. Internationale Investitionen sollen die Nutzung von Sonnen- und Windenergie finanzieren.
Diese wirtschaftspolitischen Ziele könnten erklären, warum sich Alijew nun in München zu einem Treffen mit Paschinjan bereit fand. Das Misstrauen der Armenier beruhigt es indes nicht.
Auch vor dem Krieg im Jahr 2020 hatte es ein Treffen Alijews mit Paschinjan bei der Sicherheitskonferenz in München gegeben. Sie waren sogar gemeinsam in einer Podiumsdiskussion aufgetreten. Die Stimmung wirkte damals so eisig und feindselig wie auch dieses Mal.