Kampf gegen illegale Migration Die Schweiz will kein Transitland sein
Immer mehr Migranten reisen illegal über die Schweiz auch nach Deutschland ein. Beide Länder haben sich auf Kontrollen geeinigt, vor allem in Zügen. Doch das reicht nicht, klagt die Polizeigewerkschaft.
Früh am Morgen an der Schweizer Grenze zu Österreich. Pünktlich um 6:59 Uhr fährt im Bahnhof der Ostschweizer Gemeinde Buchs der Nachtzug aus Wien ein. Beamte des Schweizer Grenzwachcorps gehen durch den Zug. Wie jeden Tag sind auch dieses Mal wieder illegale Migranten mit an Bord: Rund 60 junge Männer aus Marokko, Tunesien und Afghanistan.
Während die Marokkaner und Tunesier nach Frankreich und Spanien weiterreisen wollen, zieht es die Afghanen nach Deutschland: "Mein Bruder ist in Deutschland, Vater und Mutter getötet von den Taliban."
Alle Migranten sind über die sogenannte Balkanroute gekommen. Einige von ihnen sind zuvor legal in die Türkei oder nach Serbien eingereist. Manche erzählen, danach hätten sie sich zu Fuß auf den Weg nach Wien gemacht. Von dort aus ging es mit dem Zug in die Schweiz.
Hohe bürokratische Hürden
Dort werden sie erkennungsdienstlich erfasst, die Personalien werden aufgenommen, es wird überprüft, ob sie Straftaten begangen haben. Eigentlich müsste die Schweiz die jungen Männer nach Österreich zurückschicken. Nach dem Dublin-Abkommen müssen Migranten in dem Land einen Asylantrag stellen, in dem sie in die EU eingereist sind.
Reto Kormann von der Schweizer Migrationsbehörde sagt, die bürokratischen Hürden dafür seien zu hoch: "Auch Österreich nimmt natürlich nicht alle Leute zurück, bevor nicht klar erwiesen ist, dass diese Leute tatsächlich in Österreich ein Asylgesuch gestellt haben. Österreich hat gewisse Fristen, die sie für die Abklärung einhalten müssen. Aber in dieser Zeit sind diese Leute, die weiter nach Frankreich, nach Deutschland wollen, längst untergetaucht und abgereist."
"Festhalten können wir diese Leute nicht"
Und so fahren die Migranten unter den Augen der Schweizer Beamten mit dem Zug weiter, zum Beispiel nach Basel, in Richtung Deutschland. Zum Bleiben zwingen könne man sie schließlich nicht, betont Kormann. Obwohl auch die Schweiz das EU-Asylabkommen unterzeichnet hat und die Geflüchteten illegal ins Land gekommen sind.
"Wer kein Asylgesuch bei uns stellt, da haben wir keine Handhabe, diese Leute hier festzuhalten", sagt Kormann. "Die bekommen einen Wegweisungsbescheid und dann müssen sie die Schweiz verlassen. Aber nochmals: Festhalten können wir diese Leute nicht."
Ein Zustand, mit dem weder die Schweiz noch Deutschland nach eigenen Angaben zufrieden sind. Sie wollen jetzt gegen die illegale Migration vorgehen - und zwar mit einem Aktionsplan. Eines der explizit erwähnten Ziele ist die Verhinderung der irregulären Weiterwanderung.
Mitte Dezember einigten sich Deutschland und die Schweiz, die polizeilichen Kontrollen an der gemeinsamen Grenze zu verstärken. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und die Schweizer Bundesrätin Karin Keller-Sutter vereinbarten einen entsprechenden Aktionsplan.
Der Plan sieht unter anderem vor, dass in Zügen, die von der Schweiz nach Deutschland fahren, gemeinsame Polizeistreifen eingesetzt werden. Außerdem solle die Bekämpfung von Schleppern durch grenzüberschreitende Fahndungen intensiviert werden. Die zwei Nachbarländer hatten bereits 2016 einen Aktionsplan beschlossen, dessen Maßnahmen nun ausgeweitet werden sollen.
Seit September habe sich die Zahl der Asylsuchenden, die über die Balkanroute nach Deutschland gelangten, erhöht, sagte Faeser - auch an den Grenzübergangen aus der Schweiz. An Spitzentagen seien um die 1000 Migrantinnen und Migranten über das Nachbarland nach Deutschland eingereist.
Dublin-Abkommen soll wieder besser greifen
Mittlerweile kontrollieren Polizisten beider Länder gemeinsam auch auf schweizerischem Hoheitsgebiet - vor allem in Zügen. Dass das allein nicht ausreicht, sagt nicht nur die Deutsche Polizeigewerkschaft. Allein im vergangenen Jahr habe man mehr als 9700 Personen erwischt. Die derzeitig praktizierte Schleierfahndung sei nicht zu vergleichen mit stationären Grenzkontrollen.
Das weiß man auch in der Schweiz. Das Land will sich auf europäischer Ebene einsetzen, dass Geflüchtete - wie vorgesehen - in den Ländern einen Asylantrag stellen, in denen sie in die EU einreisen, sodass sie gar nicht erst bis in die Schweiz oder nach Deutschland kommen.
"Wir sind daran mit Deutschland, dass dieses Dublin-Abkommen wieder einwandfrei angewandt wird. Damit wir rasch in alle EU-Staaten wieder Dublin-Rückführungen machen können", sagt Kormann.