Europaparlament Die Rechten haben sich sortiert
Nachdem auch die AfD am äußersten rechten Rand noch Partner im Europaparlament gefunden hat, scheint der Block der Rechtsfraktionen neu aufgestellt zu sein. Doch ihre politische Schlagkraft bleibt begrenzt.
Die Parteien am rechten Rand Europas haben ihren Neuordnungsprozess vorerst abgeschlossen. Nach den EU-Wahlen im Juni gibt es nun drei Rechtsaußen-Fraktionen im Europaparlament, zwei von ihnen sind neu gegründet, eine bisherige gehört der Geschichte an.
Nach rund sieben Wochen gehört auch die Europadelegation der AfD wieder einer Fraktion im EU-Parlament an. Sie gründet mit anderen Parteien vom rechten Rand die Fraktion Europa souveräner Nationen.
Kurs nach rechtsaußen
Kurz vor der Europawahl war die AfD aus der Fraktion Identität und Demokratie (ID) ausgeschlossen worden. Anlass waren unter anderem verharmlosende Äußerungen von AfD-Listenführer Maximilian Krah über die SS. Anders als die anderen 14 Europa-Abgeordneten der AfD gehört Krah auch der neuen Fraktion nicht an.
Mindestens 23 Abgeordnete aus mindestens sieben Staaten müssen sich zusammentun, um eine Fraktion bilden zu können. Die neuen "Souveränen" haben 25 aus acht Ländern. Um diesen Fraktionsstatus zu erlangen, tut sich die AfD mit EU-skeptischen, rechtspopulistischen und teilweise rechtsextremen Parteien zusammen. Die AfD wird vom deutschen Verfassungsschutz als teilweise rechtsextrem eingestuft.
Während etwa der Rassemblement National (RN) in Frankreich um bürgerliche Wählerinnen und Wähler wirbt und auch deshalb mit der AfD gebrochen hat, hält die deutsche Partei den Kurs, den sie vor der Europawahl eingeschlagen hat - weiter nach rechtsaußen.
Rechte Splitterparteien als Partner
So zählt zu den Bündnispartnern der AfD in der neuen Europa-Fraktion die französische Partei Reconquête des islam- und frauenfeindlichen Hassredners Eric Zemmour.
Der Name spielt auf die Reconquista im Mittelalter an, als Christen muslimische Herrscher aus Südspanien vertrieben. Zemmour unterstützt Verschwörungstheorien, wonach ein großer Plan besteht, die angestammte Bevölkerung eines Landes durch Migranten zu ersetzen. Ein Gericht in Paris hat ihn wegen Aufrufs zu rassistischer Diskriminierung verurteilt.
Die ebenfalls der Fraktion angehörende bulgarische Partei Wiedergeburt gilt als nationalistisch, rechtsextrem, NATO-feindlich und pro-russisch. Die Konfederacja aus Polen will Einwanderung aus nicht-europäischen Ländern begrenzen, die Todesstrafe einführen und plädiert für den Austritt des Landes aus der EU.
Unsere Heimat aus Ungarn hat sich von der ultrarechten Jobbik-Partei abgespalten und geht in Sachen EU-Skepsis und Homophobie deutlich weiter als der Fidesz von Regierungschef Viktor Orban.
Orbans Bündnis
Unter Orbans Führung hatten sich in den vergangenen Tagen große Rechtsparteien schon zum Bündnis Patrioten für Europa zusammengeschlossen. Es bildet nach Christdemokraten und Sozialdemokraten und vor den Liberalen die drittstärkste Kraft im EU-Parlament.
Das gelang durch den Beitritt des französischen Rassemblement Nationale (RN) und der an der italienischen Regierung beteiligten Lega. Der RN hatte zunächst die zweite Runde der französischen Parlamentswahlen abgewartet. Dabei wurde die Partei von Marine Le Pen zwar nicht wie von ihr erhofft stärkste Kraft, gewann aber trotzdem deutlich Stimmen hinzu.
Zuvor war der RN die führende Partei in der ID, die nun so geschrumpft ist, dass sie als Fraktion nicht weiterbestehen kann. Dafür soll RN-Chef Jordan Bardella, der smarte Jungstar der Partei, in Zukunft die Fraktion der "Patrioten" führen.
In ihrem Manifest spricht diese sich gegen einen europäischen Zentralstaat aus und lehnt es ab, nationale Souveränität auf europäische Institutionen zu übertragen. Stattdessen fordern die "Patrioten" ein Europa der Nationen, die ihre Bevölkerung vor - nicht näher bezeichneten - Bedrohungen politischer, wirtschaftlicher und kultureller Art schützen sollen.
Jetzt drei Rechtsaußen-Fraktionen
Orban blieb der Fraktionsgründung in Brüssel fern, weil er auf einer selbst-deklarierten "Friedensmission" für die Ukraine nach Kiew, Moskau und Peking reiste, was andere EU-Regierungen und Brüssel als rein ungarisches Unterfangen bezeichneten.
Trotzdem ist die Fraktionsgründung ein Erfolg für Orban, denn seine Fidesz-Partei blieb dreieinhalb Jahre lang fraktionslos, nachdem sie im Frühjahr 2021 einem Ausschluss aus der christdemokratischen EVP-Fraktion durch Austritt zuvorkam. Anlass war der ständige Streit über die Missachtung demokratischer Grundwerte durch die Regierung in Budapest.
Zweitstärkste Rechtsaußen-Fraktion sind die Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) mit den Fratelli d’Italia der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni und der rechtskonservativen PiS aus Polen. Sie unterscheiden sich von den "Patrioten" unter anderem durch ihren deutlich russlandkritischeren Kurs.
An Mehrheitsverhältnissen ändert sich nichts
Mit den Fraktionsgründungen am rechten Rand verschaffen sich die rechtspopulistische Parteien Vorteile im EU-Parlament, wenn es um die Besetzung von Ausschüssen, Geld für Beschäftigte und Redezeiten geht.
An der Mehrheitsverteilung und der politischen Schlagkraft ändert sich dadurch aber nichts. Die bleibt begrenzt. Die pro-europäischen Kräfte der Mitte sind weiter deutlich in der Mehrheit und können Gesetzesvorhaben durchsetzen. Dabei müssen sie - besonders in den Bereichen Migration, Klimaschutz und Ukraine-Hilfe - mit Gegenstimmen vom rechten Rand rechnen.
Aber das war in der ablaufenden Legislaturperiode nicht anders. Auch an den Voraussetzungen für die für kommende Woche vorgesehene Wiederwahl von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ändern die Verschiebungen am rechten Rand nichts: Sie hat von den Rechtsaußen-Fraktionen ohnehin keine Stimmen zu erwarten - die sucht sie bei den pro-europäischen Kräften im Parlament.