Erfolg bei Europawahl Wie ein Provokateur die spanische Rechte aufmischt
Die Bewegung SALF war die Überraschung bei der Europawahl in Spanien. Vor der Wahl kaum beachtet, punktete sie bei den Wählern mit populistischen Parolen. Kann sie Spaniens politische Landschaft verändern?
Diese Party am Abend der Europawahl geht lang. Alvise Pérez lässt sich in der Madrider Clubszene feiern. Viele seiner Follower wollen ihn live erleben, denn seine neue Bewegung kommt aus dem Stand auf 4,58 Prozent und kann drei Abgeordnete in das Europaparlament schicken.
"Eichhörnchen" werden seine Anhänger genannt, in Anspielung auf das Logo von "Se acabó la fiesta" (SALF - zu Deutsch: Die Party ist vorbei). In einem Club verteilt Pérez' Team Mützen und Shirts mit seinem Markenzeichen: ein Eichhörnchen mit Guy-Fawkes-Maske, mit der sich mittlerweile sehr verschiedene Bewegungen einen rebellischen Stempel geben.
Wie Pérez' Rebellion aussehen soll, steht in keinem Programm. Aber unter dem Jubel seiner Wählerinnen und Wähler verkündet er, welche Party vorbei sein soll: "Spanien ist zu einer Party für Kriminelle, Korrupte, Pädophile und Vergewaltiger geworden."
Ein Polterer gegen die "Parteienherrschaft"
Pérez wettert gegen "die Parteienherrschaft", vor allem gegen den spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez, den er ins Gefängnis bringen will. Auch gegen Einwanderung, Feminismus und gegen die Medien poltert er.
Wie SALF zu Europa steht, bleibt diffus. Auf die Abgeordnetendiäten würden Pérez und seine beiden Mitstreiter verzichten, kündigt der smart-kämpferische 34-Jährige an: "Wir sind keine Parasiten."
Als die SALF-Party in der Nacht zu Ende geht, sind Spaniens Zeitungen schon voll mit Fragen zum Phänomen seiner Bewegung. Zuallererst wollen sie wissen, wer dieser Influencer überhaupt ist, der seinen Wahlkampf mit einem Lieferwagen, einem Megafon und vor allem mit viel Knowhow in Sachen Social Media bestritten hat.
Nur ein "akademischer Analphabet"?
Luis Pérez Fernández heißt er eigentlich mit vollem Namen, zu Alvise machte er sich selbst. Er sei ein "akademischer Analphabet", sagt Pérez über sich selbst in einem der Interviews, die ein YouTuber und Rapper mit guter Reichweite regelmäßig mit ihm führt, lässig plaudernd im Auto des YouTubers.
Pérez war zunächst als politischer Berater unterwegs und im liberalkonservativen Parteienspektrum aktiv, auch mit den spanischen Rechtspopulisten von Vox gab es offenbar Berührungspunkte.
Guillermo Fernández Vázquez von der Universität Carlos III in Madrid ordnet Pérez' Bewegung gegenüber dem ARD-Studio Madrid eine "Mischung aus Verschwörung und rechtsextremen Ideen" zu.
Hoaxes als Schlüssel zum Erfolg?
Für den Wissenschaftler liegt der Schlüssel zum Erfolg von SALF in Hoaxes, also in scherzhaft anmutenden Falschmeldungen in sozialen Netzwerken. Damit gelinge es Pérez, Menschen zu erreichen, "die sich bisher nicht von rechten, oder rechtsextremen, radikalen oder extremen Ideen haben anstecken lassen".
Dass gegen Pérez wegen derlei Anschuldigungen schon mehrfach ermittelt wurde, ficht seine "Eichhörnchen" offenbar nicht an. Die SALF-Wähler seien recht jung, zwischen 18 und 45 Jahre alt, viele junge Männer, so Fernández.
Wer mehr über "Se acabó la fiesta" wissen will, findet auf der Homepage nur fünf kurze Schlagzeilen zu den vermeintlichen Enthüllungen der Gruppe und Links zu zwei Social-Media-Plattformen. Mehr brauchte Alvise nicht, um mehr als 800.000 Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren.
Stärkung oder Schwächung des rechten Lagers?
Dabei hat Spanien im europäischen Vergleich relativ gemäßigt gewählt. 64 Prozent der spanischen Wählerinnen und Wähler machten ihr Kreuz bei den beiden Volksparteien, etwas mehr bei der konservativen Partido Popular als bei den in einem Linksbündnis regierenden Sozialisten, die vergleichbar mit der SPD in Deutschland sind.
Die spanische Ultrarechte Vox gewann zwar mit 9,6 Prozent gegenüber der Europawahl 2019 hinzu, verlor aber im Vergleich mit der jüngsten spanischen Parlamentswahl vor einem Jahr - vermutlich auch an SALF. Und so hat die kleine, bisher nur für Europa angetretene Gruppe durchaus das Zeug, auch in Spanien das rechte Spektrum zu stärken.
Dies erst recht nach Pérez' neuester Ankündigung im Interview mit der Zeitung El Pais: "Ich will meine Heimat retten und das ist Spanien." Der Weg dorthin führe über Moncloa, den spanischen Regierungssitz.
Das heißt: Vor der nächsten spanischen Parlamentswahl will Pérez eine Partei aus seiner Gruppierung machen. Nur dann könnte auch "Die Party ist vorbei" auf dem Wahlzettel stehen.
Politikwissenschaftler Fernández glaubt, dass sich dadurch zwar rechte Gruppen gegenseitig Wähler wegnehmen dürften. Aber: "Am Ende zieht Pérez Leute in diesen Block, die vorher nicht in diesem Block waren."
Er könnte also für die Rechte kurzfristig negative, aber langfristig eher sie stärkende Tendenzen bewirken, so Fernández. Aber vorerst bleibt das spanische Parlament, wie es ist. Es steht gerade keine Wahl an. Und für Pérez spielt die Party jetzt ohnehin erstmal in Brüssel.