Kommunalwahlen in der Türkei Proteste nach Ausschlüssen pro-kurdischer Politiker
Ein pro-kurdischer Bürgermeisterkandidat holte in der türkischen Provinz Van die meisten Stimmen - doch seine Wahl wurde annulliert. Die Entscheidung machte den Weg frei für den Konkurrenten von Erdogans AKP. Das sorgt für Protest.
Die prokurdische Partei DEM sieht sich nach der Kommunalwahl in der Türkei um ein Bürgermeisteramt betrogen. Ihrem Kandidaten in der osttürkischen Provinz Van sei die Ernennungsurkunde verweigert worden, teilte die Partei mit. Stattdessen sei der zweitplatzierte Kandidat der AKP des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zum Bürgermeister ernannt worden - der fast 30 Prozentpunkte weiter hinten lag.
Auch in einem Bezirk von Sanliurfa im Südosten des Landes wurde die Wahl annulliert. Dort hatte am Sonntag ebenfalls die DEM-Partei gewonnen. Die knapp unterlegene AKP hatte Medienberichten zufolge Einspruch gegen das Ergebnis eingelegt. Die prokurdische DEM-Partei und der Chef der größten Oppositionspartei CHP riefen dazu auf, den Willen der Wähler zu respektieren.
"Bürgerrechte verwirkt"
Der DEM-Kandidat Abdullah Zeydan war am Sonntag mit 55 Prozent zum Bürgermeister der Provinz Van gewählt worden. Laut seiner Partei ist ihm - auf Initiative des Justizministeriums - wenige Tage vor der Wahl das Recht zur Kandidatur entzogen worden. Hintergrund sei, dass ein Gericht eine Entscheidung aus dem Jahr 2022 revidiert habe.
Damals habe Zeydan nach einer Haftstrafe die Wiedererlangung aller bürgerlichen Rechte beantragt - auch die zur Kandidatur für ein politisches Amt. Das Gericht habe den Antrag damals genehmigt, nun aber - nur zwei Tage vor der Wahl - die eigene Entscheidung wieder zurückgezogen, ohne Zeydan darüber zu informieren.
Wegen der früheren Verurteilung habe der DEM-Kandidat für Van seine Bürgerrechte verwirkt, heißt es auch in einer Erklärung, die der Wahlausschuss veröffentlichte. Der 52-Jährige war 2016 wegen angeblicher Propaganda und Unterstützung der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK verurteilt worden.
Wasserwerfer und Tränengas gegen Demonstranten
In Van gingen Medienberichten zufolge mehrere Menschen in Solidarität mit Zeydan auf die Straße. Die Polizei setzte laut der Nachrichtenagentur DHA Wasserwerfer und Tränengas gegen sie ein. Auch in Istanbul wurde demonstriert. In der Hauptstadt Ankara prangerte der Co-Vorsitzende der DEM, Tuncer Bakirhan, einen "politischen Putsch" an.
Der wiedergewählte Istanbuler Bürgermeister von der größten Oppositionspartei CHP, Ekrem Imamoglu, schrieb auf der Plattform X, die Entscheidung in Van sei inakzeptabel und eine Missachtung des Willens der Bürger.
DEM vermutet noch mehr Fälle
Der Vorfall erinnert an Absetzungen prokurdischer Lokalpolitiker in der Vergangenheit: Bei den Kommunalwahlen 2019 hatte die prokurdische Partei unter dem Namen HDP 65 Bürgermeisterposten gewonnen. Doch die Regierung in Ankara ließ einen Großteil der Politiker wegen Terrorvorwürfen des Amtes entheben und durch Zwangsverwalter ersetzten. Eine Wahlbeobachtermission des Europarats hatte am Montag gefordert, dass diese Praxis ein Ende haben müsse.
Die DEM vermutet zudem Wahlbetrug in mehreren Provinzen im Südosten der Türkei, in denen sie hinter der AKP landete. Sie will in Bitlis, Sirnak und Kars eine erneute Zählung der Wählerstimmen veranlassen.
Mit Informationen von Pia Masurczak, ARD-Studio Istanbul