Österreich FPÖ-Politiker übernimmt zweithöchstes Amt
Erstmals steht mit Walter Rosenkranz ein Vertreter der rechtspopulistischen FPÖ dem Nationalrat in Österreich vor. Das stieß bei anderen Parteien auf starken Widerstand. Der Nationalratspräsident hat weitreichende Befugnisse.
In Österreich ist erstmals ein Politiker der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei (FPÖ) zum Präsidenten des Nationalrates gewählt worden. 100 der 183 Abgeordneten stimmten in geheimer Wahl für den bisherigen Volksanwalt Walter Rosenkranz. Die Fraktion der Grünen lehnte Rosenkranz geschlossen ab. Auch viele Parlamentarier anderer Parteien unterstützten ihn nicht. Bis zur Abstimmung war unklar geblieben, ob der FPÖ-Kandidat die notwendige Mehrheit erreichen würde.
Traditionell stellt die stärkste Partei im österreichischen Parlament den Präsidenten. Nachdem die FPÖ bei der Parlamentswahl Ende September jedoch erstmals stärkste Kraft wurde, kam Kritik auf.
Die Grünen versuchten Rosenkranz als Parlamentspräsident zu verhindern und starteten eine Petition unter dem Motto: "Keine Rechtsextremen an der Spitze des Nationalrats". Auch die Israelitische Kultusgemeinde Wien warnte davor, Rosenkranz dieses Amt zu überlassen. Sie kritisierte seine Nähe zu deutschnationalen Verbindungen und warf ihm vor, Nazi-Verbrechen zu verharmlosen.
Aufgaben des Parlamentspräsidenten
Rosenkranz bekleidet nun nach dem Bundespräsidenten das zweithöchste Amt im Staat. Der Parlamentspräsident wird für fünf Jahre gewählt und kann nicht abgesetzt werden. Er leitet die Geschäfte des Nationalrates und legt die Sitzungstermine fest. Damit könnte er theoretisch die Gesetzgebung verzögern, wenn er keine Sitzung einberuft.
Er hat die Befugnis, Abgeordneten das Wort zu entziehen oder Ordnungsrufe zu erteilen. Darüber hinaus repräsentiert er das Parlament nach außen, pflegt Kontakte zu internationalen Amtskollegen und kann ausländische Gäste einladen. Er übernimmt auch die Vertretung des Bundespräsidenten, falls dieser länger als 20 Tage verhindert ist, abgesetzt wird oder verstirbt.
ÖVP mit Regierungsbildung beauftragt
Bei der Regierungsbildung spielt die FPÖ hingegen zunächst keine Rolle, da keine andere Partei bereit ist, mit ihr zu koalieren. Bundespräsident Alexander Van der Bellen beauftragte daher die ÖVP unter dem amtierenden Kanzler Karl Nehammer mit der Regierungsbildung.
Van der Bellen begründete dies mit dem "vollkommen unüblichen Fall", dass keine andere Partei mit der FPÖ und ihrem Spitzenkandidaten Herbert Kickl zusammenarbeiten wolle. Üblicherweise erhält in Österreich der Vorsitzende der stärksten Partei den Auftrag zur Regierungsbildung. FPÖ-Chef Kickl habe jedoch keinen Koalitionspartner gefunden, "der ihn zum Bundeskanzler macht", sagte Van der Bellen.
Am Freitag starten Sondierungsgespräche der ÖVP mit der SPÖ, in deren Verlauf ein dritter Koalitionspartner einbezogen werden soll. Infrage kommen dafür die liberalen Neos oder die Grünen, was zu einer erstmaligen "Dreier"-Koalition in Österreich führen könnte.