Schwedens NATO-Beitritt Ungarn ringt um den nächsten Schritt
Die Türkei hat überraschend den Weg für Schwedens NATO-Beitritt freigemacht. Jetzt wäre nur noch Ungarn am Zug. Ministerpräsident Orbán signalisiert seine Zustimmung - doch konkrete Schritte bleibt er weiter schuldig.
Die Regierung in Budapest wurde vom türkischen Ja zu Schwedens NATO-Beitritt offenbar kalt erwischt. Es dauerte bis zum frühen Nachmittag, bis Regierungschef Viktor Orbán sich sortiert hatte. Nach einem Telefonat mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg beteuerte Orbán auf der Plattform X zum wiederholten Mal, eine schwedische NATO-Mitgliedschaft zu unterstützen. Er werde das Parlament weiter drängen, bald dafür zu stimmen.
Orbán suggeriert damit, nicht Herr des Verfahrens zu sein. Faktisch aber regiert er Ungarn im Alleingang - und dass auf seine Versprechen kein Verlass ist, hat Orbán jetzt mehrfach bewiesen. "Wir werden nicht die letzten sein mit der Ratifizierung. Wir werden vor der Türkei ratifizieren", hatte die ungarische Regierung Dutzende Male beteuert.
Zusage nicht eingehalten
Doch momentan sieht vieles danach aus, als ob Ungarn eben doch das letzte Land sein wird, dass Schwedens Beitritt zum Verteidigungsbündnis zustimmt. Die Opposition sieht Ungarn auf der internationalen Bühne blamiert.
"Es ist unermesslich peinlich und unangenehm, dass Ungarn sich in so einer Lage befindet - dass wir Schweden so behandelt haben, dass wir vorher auch Finnland so behandelt haben", sagt Zsolt Gréczy, Fraktionssprecher der Demokratischen Koalition DK. "Ungarns grundsätzliches nationales Interesse ist, dass die NATO mehr Mitgliedstaaten hat - und vor allem so reiche, mit entwickeltem militärischem und wirtschaftlichem Hintergrund. Aber Orbán hat Putins Interessen vertreten."
Was soll die Blockade?
Noch am Dienstag hatte Orbán den schwedischen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson nach Budapest eingeladen, um über den NATO-Beitritt zu verhandeln. Die Reaktion aus Stockholm fiel verhalten aus. Denn nach wie vor ist völlig offen, was Ungarn eigentlich mit seiner Blockade erreichen will. Orbán hat sich darüber bisher ein ums andere Mal in unkonkreten Phrasen verstiegen. "Ungarn verlangt Respekt von Schweden für sich. Und erst dann wird das Land eine positive Entscheidung verabschieden", sagte Orbán etwa Ende September im Parlament.
Zu anderen Gelegenheiten forderten ungarische Politiker die Freigabe von eingefrorenen EU-Geldern - trotz der Tatsache, dass die NATO in dieser Hinsicht nichts bewirken kann. Im Hintergrund dürfte Orbán sich stets mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan über die Blockade abgestimmt haben.
Erdogan lässt Orbán im Stich
Von dem allerdings sei Orbán nun links liegen gelassen worden, analysiert der Außenpolitiker und ehemalige Botschafter István Szent-Iványi. "Meiner Meinung nach sieht man da, wie viel Ungarn für die Türkei bedeutet." Die Türkei habe Ungarn ausgenutzt, sagt er. "Denn für sie war es echt super, dass sie nicht allein die Erpresser waren. Sie haben jemanden an ihrer Seite gehabt. Und dann, als sie diese Position aufgegeben haben, haben sie sich mit ihrem Verbündeten nicht beschäftigt. Damit haben sie die ungarische Führung beschämt."
Ob die nun auf Verhandlungen mit Schweden beharrt, oder ob Orbán dem Parlament wirklich eine Abstimmung erlaubt, muss sich jetzt zeigen. Die Nationalversammlung befindet sich aktuell bis Ende Februar in Winterpause. Eine Sondersitzung wäre allerdings jederzeit möglich.