
Albaniens Premier Rama Nach außen weltoffen, nach innen autoritär
Heute wählen die Menschen in Albanien ein neues Parlament. Ministerpräsident Rama strebt eine vierte Amtszeit an. Seine Macht hat er kontinuierlich ausgebaut - und die Opposition spielt ihm in die Hände.
140 Sitze gibt es in der "Kuvendi i Shqiperise", der Versammlung Albaniens, zu gewinnen. Und die Chancen, dass Edi Rama mit seiner Sozialistischen Partei die Parlamentsmehrheit holt, sind hoch. Es wäre das vierte Mal in Folge. Es treten zwar elf Parteien zur Wahl an, aber die wenigsten dürften es über die 2,5-Prozent-Hürde schaffen.
Albanien wird seit Jahrzehnten faktisch von zwei großen Parteien dominiert, Sozialisten und Demokraten, erklärt der Osteuropa-Historiker Oliver Jens Schmitt: "Besser organisiert ist die post-kommunistische, die sich sozialistisch nennt. Während die Opposition seit etlichen Jahren außerordentlich schwach ist."
Weitgehende Kontrolle
Das liegt einerseits an Oppositionsführer Sali Berisha, Albaniens ehemaligem Premier, der inzwischen 80 Jahre alt ist. Ihm werden Korruption und Vetternwirtschaft vorgeworfen. Seine Demokraten machen Fundamental-Opposition, haben auf lokaler Ebene auch schon Wahlen boykottiert.
Das hat unter anderem dazu geführt, dass sich die Sozialisten von Rama auf allen Ebenen des Landes gut ausbreiten konnten. "Mit seiner Partei ist es ihm gelungen, seit 2013 Machtstrukturen im Land aufzubauen, die ihm eine weitgehende Kontrolle garantieren", sagt Schmitt.
Enge Verbindungen von Medien und Bausektor
Rama kontrolliert nicht nur viele Kommunen im Land, auch das Mediensystem ist mittlerweile auf die Regierung zugeschnitten. So beschreibt es Aleksander Cipa, Vorsitzender der Gewerkschaft der Journalisten in Albanien:
Der einflussreichste Teil dieser Medienszene wird von der Autorität der Regierung beeinflusst und kontrolliert, insbesondere von der Autorität des Premierministers selbst.
In öffentlich-rechtlichen Sendern seien viele Führungsposten parteinah besetzt. Große private Sender gehören hingegen oft regierungsnahen Bauunternehmern, die durch Ausschreibungen und öffentliche Bauprojekte eng mit der Regierung verbandelt sind.
Denn auch im boomenden Bausektor mischt die Regierung ordentlich mit. In der Hauptstadt Tirana sind in den vergangenen Jahren zahlreiche avantgardistische Hochhäuser entstanden, an der Adria-Küste schießen Hotels wie Pilze aus dem Boden.
Die Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Bauprojekt treffe der Premierminister oft höchstpersönlich, so der albanische Politologe Afrim Krasniqi: "Wir haben oft erlebt, dass er entschieden hat, wer der Architekt eines neuen Gebäudes in Tirana sein soll. Nach albanischem Recht hat er diese Macht nicht." Doch Rama nimmt sie sich.

Auf europäischer Ebene gibt sich Albaniens Ministerpräsident Edi Rama stehts weltoffen und liberal. Das Interesse an den innenpolitischen Verhältnissen in seinem Land scheint eher gering.
Rama muss nicht mit Gegenwind aus Brüssel rechnen
Für Osteuropa-Kenner Schmitt steht fest: "Edi Rama ist nach innen hin ein autoritärer Führer." Nach außen, auf europäischer Ebene, gibt er aber stets den weltoffenen, liberalen Europäer. Afrim Krasniqi nennt Rama gar "den neuen Sultan von Albanien", in Anspielung auf historische Herrscher des Landes während des Osmanischen Reichs.
Bei Auftritten mit europäischen Spitzenpolitikern strahlen diese aber oft mit Rama um die Wette. Der Premierminister versteht es offenbar, das Interesse an den innenpolitischen Verhältnissen in Albanien gering zu halten.
Das liegt laut Schmitt auch daran, wie die EU auf den Balkan blickt: Systemkonkurrenten wie Russland, China und die Türkei sollten sich dort nicht breitmachen. Ansonsten gelte: "Man muss sagen, dass die EU an der Unterstützung demokratischer Bewegungen am Balkan kein Interesse hat."
Sollte Rama ein weiteres Mal die Wahl für sich entscheiden, muss er also nicht aus Gegenwind mit Brüssel rechnen. Schmitt rechnet damit, dass die Opposition dann in wenigen Jahren keine echten Chancen mehr auf einen Machtwechsel haben wird.