Europawahl 2024
Griechenland und Albanien Eine Verhaftung, eine Drohung und ein Besuch
Ein Streit um eine Verhaftung belastet das griechisch-albanische Verhältnis. Es geht um einen Lokalpolitiker, der der griechischen Minderheit in Albanien angehört. Der Streit wirkt sich auch auf die Wahl zum EU-Parlament aus.
Das Stadion im Athener Viertel Galati ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Fast 7.000 Albanerinnen und Albaner sind am vergangenen Sonntag hierher gekommen, um ihren Ministerpräsidenten zu sehen. Als er die Bühne betritt, rufen sie im Chor seinen Vornamen.
Edi Rama wird von den in Griechenland lebenden Albanerinnen und Albanern an diesem Tag gefeiert wie ein Popstar. Doch außerhalb dieser Halle ist der albanische Ministerpräsident alles andere als ein willkommener Gast. "Ich weiß, dass viele hier in Griechenland über meinen Besuch überrascht sind. Manche sind sogar traurig darüber. Andere sagen, ich hätte gar nicht erst kommen sollen", sagt Rama in seiner Ansprache.
Damit spielte Rama auf den Umstand an, dass viele Griechinnen und Griechen seinen Besuch in Athen als Provokation empfinden. Denn das Verhältnis der beiden Nachbarstaaten ist derzeit so schlecht wie seit langem nicht mehr.
Rami bezeichnete seinen Auftritt in Athen als "privaten Besuch".
Streit um einen Bürgermeister
Und das liegt an Alfred Beleri. Er lebt in Albanien und gehört dort der griechischen Minderheit an. Vor genau einem Jahr wurde er zum Bürgermeister von Himara gewählt, einem Küstenort, in dem überwiegend ethnische Griechen wie er leben.
Doch Beleri wurde kurz vor seiner Wahl verhaftet und später wegen Wahlbetrugs vor einem albanischen Gericht verurteilt. Die Inhaftierung war in den Augen der griechischen Regierung ein Eklat, denn sie sieht darin bis heute einen Akt der Diskriminierung der griechischen Minderheit in Albanien.
Ramis Anhänger sahen in seinem Auftritt eine Botschaft - und feierten ihn.
Mitsotakis ergreift Partei
Über mehrere Monate forderte Griechenlands Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis von der albanischen Regierung die Freilassung Beleris und drohte damit, den Fall zu einer europäischen Angelegenheit zu machen. "Das Ganze wird nennenswerte Auswirkungen auf die griechisch-albanischen Beziehungen haben, aber es wird auch wichtige Auswirkungen auf den Weg haben, den Albanien einschlagen will", so Mitsotakis in einem Interview Ende vergangenen Jahres.
Mitsotakis deutete damit kaum überhörbar an, Griechenland könnte den Beginn der Verhandlungen zu einem EU-Beitritt Albaniens blockieren. Es ist eine Drohung, auf die die albanische Regierung bislang aber kaum eingeht.
Stattdessen betonte Ministerpräsident Rama in der Vergangenheit immer wieder, sein Land sei ein Rechtsstaat mit einer unabhängigen Justiz. Und auch von Seiten der EU gibt es offenbar keinen Anlass, den Fall aufzugreifen.
Der Streit eskaliert weiter
Vor einem Monat unternahm Mitsotakis dann den nächsten Schritt und benannte Beleri zum Europawahlkandidaten seiner konservativen Partei Nea Dimokratia. Aus Sicht des Politikprofessors Panagiotis Jogakidis von der Universität in Athen war das ein klarer Versuch der griechischen Regierung, internationale Aufmerksamkeit auf den Fall zu ziehen.
Ich halte das allerdings für keinen besonders klugen Schritt. Griechenland sollte den Weg Albaniens in die Europäische Union erleichtern und auch den Weg aller westlichen Balkanstaaten. Das ist die einzige Möglichkeit, um für Stabilität, Demokratie und Wohlstand in der gesamten Region zu sorgen - und sollte der Fokus der griechischen Politik sein. Erst Europa, dann die bilateralen Probleme klären.
Ein Auftritt an einem symbolischen Tag
So sieht es offenbar auch der albanische Ministerpräsident. Ausgerechnet am Jahrestag von Beleris Inhaftierung richtete Rama sich bei seinem Auftritt in Athen auch an das griechische Volk. "Lasst uns nicht zu Feinden werden, lasst uns nicht streiten! Haben wir nicht schon genug Härte und Tyrannei durchlebt? Lang lebe Albanien! Lang lebe Griechenland! Lang lebe das demokratische Europa!"
Durch den Saal tönte die Europahymne. Es wehten albanische Flaggen und EU-Fahnen. Europa wirkte hier für alle zum Greifen nah. Doch ohne Griechenlands Unterstützung könnte es für Albanien ein schwerer Weg in die EU werden.