Brief der EU-Kommissionspräsidentin Von der Leyen offen für Melonis Asylmodell
Vor dem EU-Gipfel wird die Debatte über die Asylpolitik in der Europäischen Union noch einmal intensiver. Nun hat Kommissionspräsidentin von der Leyen an die EU-Staaten geschrieben und sich offen für ein italienisches Modell gezeigt.
Heute, am frühen Morgen, kommt es zu einer Premiere: Die ersten Migranten, die eigentlich nach Italien wollten, werden in einem Aufnahmelager in Albanien erwartet. Im Adria-Hafen Shengjin sei alles bereit, wie Hafendirektor Sander Marashi internationalen Reportern erzählt: "Alles hier ist gut organisiert, das Ankunftszentrum ist bereit."
Die erwarteten 16 Männer aus Ägypten und Bangladesch wurden von der italienischen Küstenwache auf offener See aufgenommen. In Albanien sollen sie nun auf die Antwort auf ihren Asylantrag warten. Ist der negativ, werden die Männer direkt abgeschoben.
Die Idee, Asylverfahren in sogenannten Drittstaaten durchzuführen, wird in der EU offenbar immer populärer - in Albanien geht sie erstmals in den Praxistest.
Ein Signal von der Leyens
Vor dem EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel hat nun auch Kommissionschefin Ursula von der Leyen in einem Brief an die 27 Mitgliedstaaten erstmals ihre Bereitschaft signalisiert, Asylverfahren ins Ausland zu verlagern. "Wir sollten auch weiterhin nach Möglichkeiten suchen, was die Idee der Entwicklung von Rückführungszentren außerhalb der EU betrifft", schreibt die Kommissionspräsidentin. "Mit der Inbetriebnahme des Italien-Albanien-Protokolls werden wir auch in der Lage sein, Lehren aus diesen Erfahrungen in der Praxis zu ziehen."
Eine solche Auslagerung könnte also ein Baustein für das große Ziel sein, die Zahl der Asylanträge in der EU von aktuell weit mehr als einer Million pro Jahr deutlich einzudämmen.
Ein konkreter Vorschlag in ihrem Brief lautet: "Sichere Drittstaaten" sollten künftig auf EU-Ebene benannt werden, um Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mitgliedstaaten zu vermeiden. Bislang entscheiden die EU-Staaten darüber weitgehend alleine.
Wie zu mehr Abschiebung kommen?
Die 27 EU-Länder sind vor allem in einem Punkt recht einhelliger Meinung: Europas Abschieberate soll erhöht werden. Derzeit liegt sie bei europaweit gut 18 Prozent. Das heißt: Nur rund jeder fünfte Ausreisepflichtige verlässt auch wirklich europäischen Boden.
Abschiebehaft, Sanktionen, Leistungskürzungen und Schluss mit "Bett, Bad und Brot"-Regelungen - viele EU-Staaten überbieten sich deshalb derzeit mit Vorschlägen, wie die Rückführungsquote erhöht werden soll.
Beispielhaft ist eine Äußerung von Österreichs Innenminister Gerhard Karner von der vergangenen Woche: "Wir alle müssen da noch kompromissloser werden. Wir haben jetzt alle Vorschläge auf dem Tisch, um die Abschiebehaft zu erleichtern und die Sozialleistungen deutlich früher zu streichen."
17 EU-Staaten wollen Kriterien
In der vergangenen Woche hatten 17 EU-Staaten - darunter auch Deutschland - die EU-Kommission in einem Brief unter anderem aufgefordert, eine Liste mit eindeutigen Gründen zu erstellen, die EU-weit eine Abschiebehaft ermöglichen würden.
Darauf scheint von der Leyen zu reagieren. Sie kündigt einen Gesetzesentwurf an, der "klare Kooperationsverpflichtungen für rückzuführende Personen" enthält, um den "Prozess zu straffen", damit "Migranten, gegen die in einem Land eine Rückführungsentscheidung ergangen ist, keine Lücken im System "ausnutzen können, um eine Rückführung in einem anderen Land zu vermeiden".
Dazu gehört laut der EU-Kommissionschefin auch die Inhaftierung und Ausweisung von Personen, die als Bedrohung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit angesehen werden. Zweitens will sie die Visa- und Handelspolitik als Hebel nutzen, um Nicht-EU-Länder davon zu überzeugen, ihre Bürger zurückzunehmen, nachdem ihre Asylanträge abgelehnt wurden.
Eine Reaktion auch auf Tusk
Indirekt ist der Brief der EU-Kommissionschefin nun auch eine Replik auf die Pläne Polens. Regierungschef Donald Tusk hatte angekündigt, in seinem Land das Asylrecht teilweise aussetzen zu wollen.
Die Begeisterung in Brüssel hält sich einerseits in Grenzen. Die zuständige Kommissionssprecherin erinnert an die Ausgangslage: "Die Mitgliedstaaten haben internationale und auch EU-interne Verpflichtungen, darunter auch die Verpflichtung, Zugang zum Asylverfahren zu gewähren."
Aber in einem Punkt springt EU-Kommissionschefin von der Leyen dem polnischen Regierungschef in ihrem Brief bei: Die EU müsse sich noch stärker gegen "hybride Angriffe" aus Russland und Belarus wehren, die gezielt Migranten über die polnischen Grenze schleusen, um die EU zu destabilisieren. Es sei nicht Russlands Präsident Wladimir Putin, der darüber entscheidet, wer in die EU kommt.