Rechtsextremist Tommy Robinson Die Stimme hinter den Krawallen in England
Er war mehrmals in Haft, gehört selbst keiner Organisation an und soll sich im Ausland aufhalten: Doch wenn der Rechtsextremist Tommy Robinson im Netz zu Zusammenrottungen aufruft, kommen in Großbritannien Tausende. Wer ist er?
Bei den rassistischen Ausschreitungen in England wird immer wieder ein Name skandiert: Tommy Robinson. Gemeint ist Stephen Yaxley-Lennon. Ein 41-Jähriger, der seinen Namen änderte, um einen Fußball-Hooligan seiner Heimatstadt zu ehren.
Robinson ist wohl Großbritanniens bekanntester Rechtsextremist und gilt als einer der Drahtzieher der Proteste der vergangenen Woche.
Seit dem Messerangriff in Southport, bei dem drei kleine Mädchen getötet wurden, teilt er quasi im Stundentakt Falschinformationen und Hetze auf der Social Media Plattform X und motiviert seine mehr als 900.000 Follower, auf die Straße zu gehen. Dabei inszeniert sich Robinson als Märtyrer der Meinungsfreiheit.
Ein Unterstützer von Tommy Robinson zeigt seine Tätowierung, auf der Robinson und drei Löwen mit dem Slogan "Tommys Löwen brüllen" dargestellt ist.
Vor der Justiz geflohen?
Die Polizei habe ihn im Blick, sagt Dal Babu, ehemaliger leitender Beamter der Londoner Polizei. Robinson habe in den vergangenen 30 Tagen 200.000 Follower dazu gewonnen, er sitze in einem Millionen Pfund teuren Haus und steuere die Ausschreitungen in England.
Robinson soll sich gerade auf Zypern aufhalten. Zeitungen vermuten, dass er aus Großbritannien geflohen ist, nachdem er in einem Fall wegen Verleumdung nicht zum Gerichtstermin erschienen war. Dennoch werden seine Inhalte tausendfach geteilt und immer tiefer ins Netz getragen.
Erst seit Tech-Gigant Elon Musk Twitter übernahm, sagt Babu, dürfen Rassisten wie Robinson dort wieder unterwegs sein. Die Plattform hatte seinen Account eigentlich 2018 gesperrt. Den genauen Grund gab Twitter nicht an. Die britischen Zeitungen mutmaßten, es habe an Hassrede gelegen.
"English Defence League"-Gründer
Ivan Humble kennt Robinson. Die beiden trafen sich bei der "English Defence League" (EDL), einer rechtsextremen Gruppe, die gegen Migration und den Islam auf die Straße ging. Robinson hat sie 2009 in seiner Geburtsstadt Luton mitgegründet und wurde deren Anführer.
Im ARD-Interview erklärt Humble, der mittlerweile Sozialarbeiter ist und in seiner Freizeit in Schulen über rechtsextreme Radikalisierung aufklärt, dass die EDL damals eine besondere Faszination auf ihn ausübte. Er sei zunächst wegen islamophober Stereotype der Gruppe beigetreten, nachdem es 2009 in Luton Proteste von Muslimen gegen die Homecoming-Parade britischer Soldaten gegeben habe.
Dann aber habe er sich bei der EDL schnell als Mann bestätigt gefühlt. "Zu je mehr Demos ich ging, je mehr ich argumentierte und wir auch Gewalt ausübten, desto mehr fühlte ich mich zugehörig. Ich habe mich wieder wie ein Mann gefühlt", sagt der heute 53-jährige Humble. Das aggressive Verhalten habe ihn nicht abgeschreckt. Er sei wie viele andere EDL-Mitglieder in einem Sozialbau aufgewachsen, in dem viele auf Sozialhilfe angewiesen waren. "Da wo wir wohnen, sehen wir auch so viel Gewalt", sagt Humble. Tommy Robinson nennt er deshalb "nur ein Symptom tieferliegender sozialer Probleme".
Humble sagt: Heute gehe es Robinson bei seinem exzessivem Auftritt auf X vor allem um eins: Klicks. Robinson gehöre keiner Gruppe mehr an, er leite auch keine mehr. Denn die EDL verließ Robinson 2013. Die Gruppe hatte ihren Höhepunkt laut der anti-Rassismus-Organisation "Hope not Hate" 2011, als bei einer Demonstration 3.000 Menschen erschienen.
2018 hörte die EDL auf zu existieren. Es gibt keine Treffen mehr, sagt Humble, auch keine Mitgliederliste. Vielmehr zersplitterte, was von der EDL übrig war, in weitere rechtsextreme Gruppen - die teils noch radikaler seien, sagt Humble.
Tommy Robinson bei einer Versammlung von Unterstützern in der Londoner Innenstadt Ende Juli 2024. Mittlerweile soll er sich nach Zypern abgesetzt haben.
Mehrmals hinter Gittern
Joe Mulhall von "Hope not Hate" warnt im Podcast von Aktivist Owen Jones vor genau diesen dezentralen Strukturen, die ehemalige Mitglieder untereinander gebildet hätten: Es sei ein Netzwerk aus Tausenden Einzelpersonen, das primär online vernetzt sei.
Robinson begann nach seinem EDL-Austritt, sich als Journalist zu bezeichnen, wurde 2018 für einen Livestream vor einem Gericht festgenommen. Die "Free Tommy"-Bewegung brachte mehr Menschen auf die Straße, als es die EDL je geschafft hatte.
Ivan Humble glaubt, dass Robinson vielen Followern das Gefühl gebe, ihnen eine Stimme zu verleihen, indem er ihre Beiträge teilt und Themen aufgreift.
Robinson saß mehrere Male hinter Gittern, unter anderem wegen Betrugs und Körperverletzung. Medien berichten, dass er durch internationales Crowdfunding für seinen politischen Aktivismus zum Millionär geworden sei.