Nach Messerattacke in Southport Großbritannien kommt nicht zur Ruhe
Gewaltsame Proteste und Angriffe auf Polizisten in mehreren Städten - in Großbritannien wurden seit Samstag mehr als 150 Menschen festgenommen. Wegen der Randalen hat die britische Regierung nun einen Krisenstab einberufen.
In Großbritannien haben sich die Proteste rechtsradikaler Gruppen nach dem tödlichen Messerangriff auf Kinder zu gewaltsamen Ausschreitungen entwickelt. Wie die Polizei mitteilte, wurden seit Samstag landesweit mehr als 150 Menschen festgenommen.
Regierung beruft Krisenstab ein
Wegen der schweren Randalen setzte die britische Regierung eine Sitzung des nationalen Krisenstabs Cobra an. An der Sitzung sollen neben Premierminister Keir Starmer von der sozialdemokratischen Labour-Partei mehrere zuständige Kabinettsmitglieder und Vertreter der Polizei teilnehmen.
In mehreren Städten kam es zu Ausschreitungen.
Maskierte greifen Asylunterkünfte an
Am Sonntag hatte in Tamworth nahe der Stadt Birmingham Polizeiangaben zufolge "eine große Gruppe" Menschen ein Hotel angegriffen, das Asylbewerbern als Unterkunft diente. Den Angaben zufolge verwendeten sie Wurfgeschosse, schlugen Fensterscheiben ein, legten Feuer und griffen Polizisten an.
Auch im nordenglischen Rotherham war eine Unterkunft für Asylbewerber massiv attackiert worden: Randalierer warfen Scheiben ein, griffen Polizisten an und drangen teilweise ins Gebäude ein. Zehn Beamte wurden verletzt.
Politische Krise für Premier Starmer
Für Premierminister Starmer stellen die Ausschreitungen nur einen Monat nach seinem Amtsantritt die erste politische Krise dar - umso mehr, weil seiner Labour-Partei im Wahlkampf immer wieder vorgeworfen wurde, in Einwanderungsfragen zu lax zu sein.
Am Sonntag richtete Starmer sich in einer Ansprache an die Nation. "Ich versichere Ihnen, dass Sie es bereuen werden, wenn Sie sich an diesen Unruhen beteiligen. Egal, ob sie sich direkt daran beteiligen oder ob sie diese Aktion im Internet anheizen und dann selbst weglaufen", sagte Starmer. Es gebe "keinerlei Rechtfertigung" für dieses "rechtsradikale Rowdytum", die Täter würden "vor Gericht gestellt".
Auslöser Messerangriff auf Kinder
Auslöser der Gewaltausbrüche ist der Messerangriff eines 17-Jährigen in der nahe Liverpool gelegenen Küstenstadt Southport, bei dem am vergangenen Montag drei Kinder getötet und acht weitere sowie zwei Erwachsene verletzt wurden. Dabei drang der Verdächtige in ein Gebäude ein, in dem gerade ein Ferientanzkurs für Kinder zur Musik von US-Star Taylor Swift stattfand.
Falschinformationen in sozialen Medien
Der Angriff erschütterte Großbritannien. Im Internet kursierten zudem schnell Spekulationen und Falschinformationen über den Hintergrund des Verdächtigen, dessen Familie der BBC zufolge aus Ruanda stammt. Bereits unmittelbar nach der Tat randalierten in Southport rund hundert Rechtsextreme. Sie griffen unter anderem eine Moschee an.
Polizei macht Anti-Islam-Organisation verantwortlich
Die Polizei machte Anhänger der sogenannten English Defence League, einer vor 15 Jahren gegründeten Anti-Islam-Organisation mit Verbindungen in die Hooligan-Szene, für die Gewalt verantwortlich. Unter dem Motto "Genug ist genug" wurde auf rechtsextremen Kanälen in Onlinemedien für die Kundgebungen geworben.
In zahlreichen Städten organisierten Menschen antifaschistische Gegenkundgebungen. In Leeds zogen die Demonstranten etwa mit Rufen wie "Nazi-Abschaum raus aus unseren Straßen" durch die Stadt.
Schlimmste Unruhen seit mehr als zehn Jahren
Laut Polizei handelt es sich um die schlimmsten Ausschreitungen in Großbritannien seit Protesten im Jahr 2011, nachdem der schwarze Familienvater Mark Duggan im Norden Londons von Sicherheitsbeamten erschossen worden war.
"Wir hatten schon früher Unruhen und Zusammenstöße dieser Art, aber sie waren auf bestimmte Gegenden des Landes beschränkt", so Tiffany Lynch vom Polizeiverband für England und Wales.