Judenhass in Europa Umfrage zeigt "Welle des Antisemitismus"
Jüdinnen und Juden in Europa fürchten immer stärker um ihre Sicherheit. Einer Umfrage zufolge wächst der Antisemitismus in der EU rapide. Auch in Deutschland fühlen sich Jüdinnen und Juden bedroht.
Die jüdische Gemeinde in Europa sieht sich einer EU-Behörde zufolge mit zunehmendem Antisemitismus konfrontiert. "Juden haben mehr Angst als je zuvor", erklärte die Direktorin der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) mit Sitz in Wien, Sirpa Rautio. Sie stellte das Ergebnis einer Umfrage unter etwa 8.000 Jüdinnen und Juden in 13 EU-Staaten vor.
Verbergen und Vermeidung aus Angst
Danach gaben europaweit 76 Prozent der Juden an, ihre jüdische Identität "zumindest gelegentlich" zu verbergen, weil sie sich um ihre Sicherheit sorgen. Rund jeder dritte Befragte - 34 Prozent - meide gar jüdische Veranstaltungen oder Orte, weil er sich nicht sicher fühle.
Insgesamt seien 80 Prozent der befragten Jüdinnen und Juden der Meinung, dass der Antisemitismus in ihrem Land in den vergangenen fünf Jahren zugenommen habe. Eine wesentliche Rolle spielten dabei Hass-Kommentare im Internet. 37 Prozent der Befragten hätten angegeben, wegen ihrer jüdischen Identität meist auf Straßen, in Parks oder Geschäften belästigt worden zu sein.
Lage seit Hamas-Massaker verschlimmert
Die FRA-Umfrage wurde im ersten Halbjahr 2023 durchgeführt, also noch vor dem Massaker von Terroristen der islamistischen Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober 2023 in Israel und dem folgenden Gaza-Krieg. Im Vergleich zu zwei vorhergehenden Umfragen zum selben Thema in den Jahren 2013 und 2018 zeige sich, dass weiterhin sehr viele Juden und Jüdinnen den Antisemitismus im Internet und im wahren Leben zu spüren bekämen, hieß es.
"Europa erlebt eine Welle des Antisemitismus, die teilweise durch den Konflikt im Nahen Osten angeheizt wird", sagte FRA-Direktorin Rautio. Die Konsultationen der FRA mit nationalen und europäischen jüdischen Dachorganisationen Anfang 2024 zeige "einen dramatischen Anstieg" antisemitischer Angriffe um mehr als 400 Prozent, erklärte Rautio. Die Folgen des Nahostkonflikts "untergraben die hart erkämpften Fortschritte bei der Bekämpfung des Judenhasses".
Deutschland keine Ausnahme
Nach den vorliegenden Daten weicht auch Deutschland nicht vom negativen Trend ab. 80 Prozent der Befragten verzichteten zumindest fallweise auf das Tragen jüdischer Symbole in der Öffentlichkeit, geht aus der Befragung hervor. Neun Prozent sagten, dass sie in den vergangenen fünf Jahren angegriffen worden seien - dies sei eine der höchsten Raten in der Umfrage.
51 Prozent hätten wegen des Antisemitismus mit dem Gedanken gespielt, aus Deutschland auszuwandern. Auch dies sei ein vergleichsweise hoher Anteil. Insgesamt leben in der Bundesrepublik etwa 171.000 Jüdinnen und Juden.
Etwa 60 Prozent der Befragten gaben zudem an, mit den Bemühungen ihrer Regierung zur Bekämpfung des Antisemitismus nicht zufrieden zu sein. Die Grundrechte-Agentur forderte deshalb, die teilweise vorhandenen Aktionspläne gegen Antisemitismus auch umzusetzen. Das gelte nicht zuletzt für die Bekämpfung der antijüdischen Kommentare im Internet. Um den Betroffenen die Angst zu nehmen, sei es nötig, mehr in den Schutz der jüdischen Bürger zu investieren.