Deutsche Firma involviert Pro-Palästina-Netzwerk Samidoun trotz Verbots online
Das palästinensische Netzwerk Samidoun wurde nach dem Angriff der Hamas auf Israel verboten. Doch die Webseite ist trotz des Verbots noch immer online, registriert von einer deutschen Firma.
Deutschlandweit ist das Netzwerk "Samidoun - Palestinian Solidarity Network" bekannt geworden, als seine Mitglieder die brutalen Angriffe der Hamas vom 7. Oktober auf Israel feierten. Unter anderem verteilten sie Süßigkeiten in Berlin.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser reagierte darauf mit einer Auflösung und einem Verbot von Samidoun in Deutschland, was sie öffentlich vor Journalisten bekräftigte: "Als Bundesinnenministerin verbiete ich heute die Betätigung von Hamas und Samidoun in Deutschland und löse Samidoun Deutschland auf." Samidoun gefährde die öffentliche Ordnung in Deutschland.
Auch die Internetseite des Vereins ist von dem Verbot betroffen, selbst das Logo von Samidoun zu verbreiten ist nicht mehr erlaubt. "Mit dem Betätigungsverbot und der Auflösung von Samidoun setzen wir diesen Aktivitäten in Deutschland ein Ende", so die Bundesinnenministerin damals.
Domain von deutscher Firma registriert
Doch die Webseite von Samidoun weiter online. Die Internetadresse, die sogenannte Domain, wurde nach Recherchen des ARD-Politikmagazins Report München von einem deutschen Internetdienstanbieter registriert. Die Domain wurde, laut einem öffentlich zugänglichen Verzeichnis, am 15.11.2023 aktualisiert. Das war 13 Tage nach dem Vereinsverbot.
Man nehme die rechtliche und gesellschaftliche Verantwortung sehr ernst, so das Unternehmen auf Anfrage. Die Domain von Samidoun sei im Auftrag eines Kunden in dessen Namen registriert worden. Zu vertraglichen Fragen könne man aus Datenschutzgründen keine Aussagen treffen. Die Inhalte der Webseite würden von einer weiteren Firma aus dem Ausland gehostet und weltweit verbreitet.
Man prüfe derzeit "inwieweit wir als Registrar der gegenständlichen Domain - ohne zugleich der Hosting-Provider zu sein - Maßnahmen auf Grundlage des auf Deutschland beschränkten Vereinsverbots ergreifen können." Aktive Prüfpflichten für Firmen, die Domains registrieren, seien rechtlich nicht vorgesehen.
Vereinsverbote
Das Bundesinnenministerium teilte auf Anfrage unter Verweis auf den Bundesanzeiger mit, die Registrierung sei "gegebenenfalls strafbar". Auf Anfrage bittet das Ministerium um Verständnis, man könne "aufgrund des laufenden Verfahrens (Rechtsstreit vor dem BVerwG) derzeit keine weiteren Fragen, insbesondere nicht zu operativen Einzelsachverhalten, beantworten".
Tatsächlich klagt Samidoun gegen das Verbot durch das Ministerium am Bundesverwaltungsgericht (BVerwG). Bundeskanzler Olaf Scholz hatte das Verbot bereits angekündigt, bevor bei dem Verein überhaupt Razzien durchgeführt worden waren.
Tatsache ist: Das geltende Verbot zielte drauf ab, die Webseite aus dem Netz zu nehmen. Zitat aus dem Bundesanzeiger: "Es ist verboten, die [...] Internetseite des Vereins, einschließlich deren Bereitstellung und Hosting, zu betreiben."
Auch die Verbreitung über soziale Netzwerke untersagte das Bundesinnenministerium. Soziale Netzwerke wie Instagram und Facebook haben auf das Verbot reagiert und Angebote von Samidoun offline gestellt. Die Webseite dagegen bleibt auch nach dem Hinweis von Report München bisher online.
Kritik aus dem Bundestag
Samidoun organisiert die Verbreitung, Registrierung und Hosting ihrer Webseite nach ARD-Informationen über verschiedene Länder mit unterschiedlichen Firmen. Das scheint die Abschaltung des verbotenen Contents zu erschweren.
Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Konstantin von Notz von Bündnis 90/Die Grünen, erklärt, die Fraktion erlebe immer wieder, dass Inhalte, die sehr klar unter die Verbote fallen, dennoch weiterhin im Netz auffindbar seien.
Die Erwartungshaltung in Richtung des Bundesinnenministerium und Sicherheitsbehörden sei glasklar: "Die weitere Verbreitung von Propaganda von Organisationen, die aus gutem Grund bei uns verboten wurden, muss mit aller rechtsstaatlichen Entschlossenheit unterbunden werden." Es komme bei diesem Thema auf "eine enge Abstimmung mit den Sicherheitsbehörden unserer inner- und außereuropäischen Verbündeten an."
Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland empört
Für den Vorstand der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD), die Rabbiner Avichai Apel, Zsolt Balla und Yehuda Pushkin ist es ein Skandal, dass solche Hassportale trotz Verbots überhaupt noch in Europa empfangen werden können. Denn wie Recherchen von Report München bereits in der Vergangenheit belegten, waren selbst Portale von Terrororganisationen wie der Hisbollah mit Hilfe deutscher Internetdienstleister im Netz.
Mit Blick auf Samidoun erklärt die ORD: Es sei umso beschämender, dass ein deutscher Internetprovider auch noch Kapital aus der Propaganda von Organisationen schlage, die den Staat Israel und jüdisches Leben auslöschen wolle.
Hasspropaganda, ob von Hamas, Hisbollah, Huthi-Milizen und weiteren Unterstützerorganisationen sei nicht nur eine Bedrohung für die jüdische Gemeinde in Europa und hier lebende, moderate Muslime. Sie bedrohe auch unser aller Freiheit und Demokratie, so der ORD-Vorstand. Er fordert ein EU-weites Geoblocking für solche Hass- und Propagandaportale.
Deutsche IT-Infrastruktur für antisemitischen Content
Steven Stalinsky forscht für den US-amerikanischen Think Tank MEMRI, das Middle East Media Institute, seit Jahren zur Nutzung des Internets für die Verbreitung antisemitischer Inhalte. Mit Unterstützung von MEMRI hatte Report München vor einigen Monaten aufgedeckt, dass der TV-Sender der Terrororganisation Hisbollah sowie der TV-Sender der Huthi-Milizen über deutsche Server verbreitet wurden.
Laut Stalinsky fehlt es in Deutschland an Kontrollen. "Dies zeigt sich erneut bei Samidoun, ein Verein, der in Deutschland illegal sein soll und für seine Website ebenfalls ein deutsches Unternehmen nutzt."
Samidoun gilt als Unterstützer von Mahnwachen und Demonstrationen vor Universitäten, die seit dem 7. Oktober stattfinden. Aufrufe fanden sich auch zum Zeitpunkt der Recherche auf der Webseite von Samidoun.
Im Nachgang dieser Veröffentlichung hat der deutsche Internetdienstanbieter am 02.07.2024 mitgeteilt, dass er die Domain von Samidoun inzwischen gekündigt hat.
In einer früheren Version haben wir Samidoun als einen der Hauptorganisatoren von Mahnwachen und Demonstrationen vor Universitäten bezeichnet. Trotz einiger Hinweise lässt sich nicht belegen, inwieweit Samidoun im engeren Sinne als Organisator solcher Veranstaltungen auftritt oder sie nur bewirbt. Daher haben wir diesen Begriff geändert.