Einsatz für atomare Abrüstung Friedensnobelpreis für Organisation Nihon Hidankyo
Die japanische Organisation Nihon Hidankyo wurde von Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki gegründet - und setzt sich seitdem für nukleare Abrüstung ein. Jetzt erhält sie den Friedensnobelpreis.
Der Friedensnobelpreis 2024 geht an die japanische Friedensorganisation Nihon Hidankyo. Die Organisation wird damit für ihren Einsatz für eine atomwaffenfreie Welt geehrt. Das gab das norwegische Nobelkomitee in Oslo bekannt.
Jørgen Watne Frydnes, der Vorsitzende des norwegischen Nobelkomitees, sagte zur Begründung, das Tabu "Atomwaffeneinsatz" stehe unter Druck. Ihm zufolge will das Nobelkomitee "alle Überlebenden ehren, die sich trotz körperlicher Leiden und schmerzhafter Erinnerungen entschieden haben, ihre kostspieligen Erfahrungen zu nutzen, um Hoffnung und Engagement für den Frieden zu kultivieren."
Organisation von Überlebenden aus Hiroshima und Nagasaki
Nihon Hidankyo wurde von Überlebenden der US-Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki gegründet. Sie werden in Japan auch Hibakusha genannt. Direkt bei oder infolge der Atombombenabwürfe am 6. und 9. August 1945 starben schätzungsweise mehr als 200.000 Menschen.
Der Vorsitzende von Nihon Hidankyo, Tomoyuki Mimaki, der bei der Bekanntgabe im Rathaus von Hiroshima war, jubelte und hatte Tränen in den Augen, als er die Nachricht erhielt. Der Friedensnobelpreis ist mit elf Millionen Schwedischen Kronen (umgerechnet rund 967.000 Euro) dotiert.
Deutlich weniger Nominierungen
In Zeiten von Nahost-Krieg, Ukraine-Krieg und Dutzenden weiteren Konflikten hatte sich in diesem Jahr kein klarer Favorit auf den Friedensnobelpreis abgezeichnet. Nominiert wurden diesmal insgesamt 286 Kandidatinnen und Kandidaten, unter ihnen 197 Persönlichkeiten und 89 Organisationen.
Das waren deutlich weniger als in den Vorjahren. Die Namen der Nominierten werden von den Nobel-Institutionen traditionell 50 Jahre lang geheim gehalten.
Gratulationen auch aus Deutschland
Der Friedensnobelpreisträger von 2017, die Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (Ican), hat den diesjährigen Gewinnern aus Japan gratuliert. Dies sei eine sehr wichtige und absolut verdiente Auszeichnung, teilte Ican in Genf mit. Die Gefahr eines neuerlichen Einsatzes von Atomwaffen sei womöglich so hoch wie nie.
Außenministerin Annalena Baerbock hat den Friedensnobelpreis für die Anti-Atomwaffen-Organisation als wichtiges Zeichen auch in Richtung des russischen Präsidenten Wladimir Putin begrüßt. "Gerade in Zeiten, wo aggressive Mächte wieder mit dem Einsatz von Atomwaffen drohen, ist es umso wichtiger, dass die Welt insgesamt deutlich macht: Frieden bedeutet, dass solche Waffen niemals zum Einsatz kommen", sagte die Grünen-Politikerin bei einem Treffen mit dem slowakischen Außenminister Juraj Blanar in Berlin, ohne Putin beim Namen zu nennen.
Russland hat seit Beginn seines Angriffskriegs gegen die Ukraine wiederholt mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht.
Fast 80 Jahre ohne Atomwaffeneinsatz
Laut UN-Kommissariat für Menschenrechte ist die Preisvergabe "eine Anerkennung der Bedeutung von Graswurzelbewegungen und insbesondere von Überlebenden schrecklicher Menschenrechtsverletzungen für ihre unermüdliche und beharrliche Arbeit, oft abseits des Rampenlichts, ohne viel Anerkennung, mit vielen Hindernissen und nicht immer mit einer enormen Menge an Ressourcen", so eine Sprecherin in Genf.
Der Friedensforscher Dan Smith hält die Kür von Nihon Hidankyo aus gleich drei Gründen für gelungen. Zum einen werde der Fokus wirklich auf die menschlichen Auswirkungen des Atomwaffengebrauchs gerichtet, zum anderen ein Schlaglicht auf die derzeitigen internationalen Beziehungen und Spannungen gerichtet, sagte der Direktor des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri.
Der dritte Aspekt seien die 80. Jahrestage der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki im kommenden Jahr. "Das bedeutet auch, dass wir es geschafft haben, seit fast 80 Jahren keine Atomwaffen einzusetzen", sagte Smith. Gleichzeitig scheine das Tabu, nukleare Waffen nicht zu gebrauchen, mehr und mehr zu verschwinden, warnte der Friedensforscher unter anderem mit Blick auf russische Drohungen gegen den Westen.
Wichtigster Preis für Menschenrechte
Personen und Organisationen, die sich für die atomare Abrüstung einsetzen, wurden bereits in der Vergangenheit vom Nobelpreiskomitee gewürdigt. Die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen erhielt den Friedenspreis im Jahr 2017. Im vergangenen Jahr wurde die inhaftierte iranische Aktivistin Narges Mohammadi für ihr Eintreten für Frauenrechte und Demokratie sowie gegen die Todesstrafe ausgezeichnet.
Berühmte Träger des Friedensnobelpreises waren unter anderen Nelson Mandela (1993), Willy Brandt (1971), Mutter Teresa (1979) und Albert Schweitzer (1952).
Verleihung im Dezember
Der Friedensnobelpreis gilt als die weltweit wichtigste Auszeichnung für Verdienste um Abrüstung, Friedenssicherung und Menschenrechte. In dieser Woche sind in Stockholm bereits die diesjährigen Nobelpreisträger in den Kategorien Medizin, Physik, Chemie und Literatur verkündet worden. Am Montag folgt zum Abschluss noch die Auszeichnung in Wirtschaftswissenschaften.
Feierlich überreicht werden die Nobelpreise allesamt traditionell an Alfred Nobels Todestag am 10. Dezember - der Friedensnobelpreis dabei als einziger nicht in Stockholm, sondern in Oslo.