Gedenktag für ermordete Sinti und Roma "Müssen vorsichtig sein, dass es nicht wieder losgeht"
Rund 500.000 Sinti und Roma wurden in Europa von den Nationalsozialisten ermordet - an die Opfer erinnerte eine Gedenkfeier in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau. Vertreter der Minderheit kritisierten anhaltende Diskriminierung.
In der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau ist der rund 500.000 von Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma aus ganz Europa erinnert worden. Dabei kritisierten Vertreter der Minderheit deren andauernde Diskriminierung und Ausgrenzung in europäischen Ländern und warnten vor einem Wiedererstarken rassistischer und nationalistischer Ideologien.
In vielen osteuropäischen Ländern lebten Roma immer noch unter Apartheid-ähnlichen Bedingungen, sagte der Vorsitzende des Zentralrates der Sinti und Roma in Deutschland, Romani Rose. Antiziganismus nehme den Menschen ihre Würde. Er forderte die Innenminister der Bundesländer auf, die Unrechtsgeschichte der Polizei im NS-Staat und nach 1945 aufarbeiten zu lassen: "Und beenden Sie damit endlich die rassistische und antiziganistische Sondererfassung und Kriminalisierung von Sinti und Roma auf dieser Grundlage."
Sorge wegen Wahlerfolgen rechter Parteien
Der Vorsitzende der Vereinigung der Roma in Polen, Roman Kwiatkowski, betonte, es sei kein Widerspruch, Sinti und Roma und zugleich Bürger eines Landes zu sein. Jede Manifestation von Diskriminierung und Ausgrenzung sei heute nach den Erfahrungen der NS-Zeit ein Weckruf.
Die Holocaust-Überlebende Gerda Pohl berichtete in ihrer Rede von den Demütigungen nach dem Krieg, die sie wie die NS-Zeit dauerhaft geprägt hätten. "Wir waren fleißig, aber wurden von Mitschülern und Lehrern als Sinti drangsaliert", erzählte sie. Zwar sei vieles in den vergangenen Jahren besser geworden. Aber die Wahlerfolge rechter Parteien in vielen europäischen Ländern machten ihr Angst. "Wir müssen vorsichtig sein, dass es nicht wieder losgeht", warnte sie.
Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Nicola Beer, betonte, auch das EU-Parlament müsse seine Bemühungen im Kampf gegen Diskriminierung verstärken: "Es muss jedem klar sein. Sinti und Roma sind europäische Bürger mit den gleichen Rechten, Freiheiten und Perspektiven", sagte die FDP-Politikerin.
Der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antiziganismus, Mehmet Daimagüler, kritisierte die anhaltende Diskriminierung vom Roma und Sinti in Deutschland: "Wir können nicht die Opfer achten und ihre Kinder, Enkel und Urenkel verachten."
Forderung nach Entschädigung
In Berlin betonte Kulturstaatsministerin Claudia Roth, der Kampf um deren Teilhabe müsse auch beim Zugang zu Beschäftigung, Bildung, Gesundheitsversorgung und Wohnen weitergehen. "Bis heute sind antiziganistische Vorurteile und Ressentiments in unserer Gesellschaft immer noch viel zu weit verbreitet", erklärte die Grünen-Politikerin in einer Mitteilung.
Der Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, nannte die Verachtung und der Hass, der Sinti und Roma bis heute in vielen europäischen Ländern entgegenschlage, eine Schande für Europa und eine offene Wunde. Das Deutsche Institut für Menschenrechte forderte Bundesregierung und Bundestag auf, das den Sinti und Roma während der NS-Zeit und nach 1945 zugefügte Unrecht anzuerkennen und angemessen zu entschädigen.
In der Nacht des 2. August 1944 hatte die SS 4300 Sinti und Roma im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau umgebracht. Das Lager wurde knapp sechs Monate später befreit. 2015 erklärte das Europäische Parlament den 2. August zum europäischen Gedenktag.