Bürgerinitiative gestärkt Die EU zugänglicher machen
Viele Bürger fordern mehr Mitbestimmung - jenseits von Wahlen und Volksentscheiden. Ein Mittel ist die "Europäische Bürgerinitiative", ein Instrument, um Gesetze in der EU anzustoßen. Doch die Hürden sind hoch. Zu hoch - meinen Richter.
"Wir sind viele und wollen mitgestalten und mitentscheiden." Ein Dachverband europäischer Volksgruppen (FUEN) will die Minderheiten in Europa rechtlich stärken und hat dafür beantragt, als offizielle "Europäische Bürgerinitiative" anerkannt zu werden. Aber aus der Aktion mit dem Titel "Minority SafePack" wurde bislang nichts. Die EU-Kommission will sie noch nicht mal registrieren. Ihre Ziele ließen sich nicht alle mit EU-Recht umsetzen. Daher die Antwort der Bürokratie: Antrag abgelehnt!
Aber jetzt kommt Hoffnung aus Luxemburg. Das sogenannte Gericht der EU, die erste gerichtliche Instanz in der Europäischen Union, entschied: Wenn die EU-Kommission die Aktion für unzulässig hält, muss sie gegenüber den Aktivisten genau begründen, warum. Andernfalls würden die Bürger entmutigt. Die EU sollte doch "zugänglicher" gemacht werden, so die Begründung
Seit 2009 gibt es nach den Europäischen Verträgen die Möglichkeit, offizielle "Europäische Bürgerinitiativen" zu gründen. Sieben Bürger aus sieben verschiedenen EU-Staaten können sich zusammenschließen und einen sogenannten Bürgerausschuss gründen. Sie müssen registriert werden und dürfen dann Unterschriften sammeln.
Politischen Forderungen Druck verleihen
Am Ende einer erfolgreichen Bürgerinitiative steht die Aufforderung an die Europäische Kommission, ein Gesetz vorzuschlagen. Bislang kann allerdings eine solche Bürgerinitiative kein EU-Organ zu Handlungen verpflichten. Aber auf diese Weise ist es immerhin möglich, einer politischen Forderung Druck zu verleihen.
Seit 2012 steht fest, wie das Verfahren abläuft. Und seit dieser Zeit wollten sich bereits 61 Bürgerinitiativen registrieren lassen - bislang 41 mit Erfolg. Es ist insbesondere die junge Generation der 21 bis 30-Jährigen, die das Instrument nutzen will. Franzosen und Deutsche sind ganz vorne mit dabei.
Schulz lobte Initiative
Eine offizielle Bürgerinitiative ist aber nicht in allen Bereichen möglich - wenn nämlich die EU-Kommission für diesen Politikbereich dem Europäischen Parlament kein Gesetz vorschlagen kann. So lehnte die Kommission zum Beispiel auch die Initiative "STOP TTIP" ab.
"STOP TTIP" ließ sich aber von der Ablehnung nicht aufhalten. Sie erhob Klage und sammelte solange einfach schon mal ohne Zulassung Unterschriften. Mit Erfolg: Mehr als drei Millionen Unterschriften kamen bislang zusammen. Und das wurde sogar von Martin Schulz gewürdigt, als er noch Präsident des EU-Parlaments war: "3.284.289 ist eine beachtliche Zahl. Ich will Ihnen sagen, dass ich die Argumente, die Sie vorgetragen haben, sehr sehr ernst nehme," so Schulz damals.
Lobte die 3.284.289 Unterschriften für eine Initiative als "eine beachtliche Zahl" - Martin Schulz, in seiner Zeit als EU-Parlamentspräsident.
Selbst wenn eine Bürgerinitiative zugelassen wird, muss sie innerhalb von zwölf Monaten eine Million Unterschriften sammeln. Diese Hürde schafften bisher nur drei der 41 registrierten Initiativen, darunter "Right2Water", die eine gesetzlich garantierte Versorgung mit sauberem Trinkwasser fordert. "Right2Water" bekam mehr als 1,6 Millionen Unterschriften zusammen. Die Kommission verpflichtete sich auch danach, dementsprechend zu handeln. Einen Gesetzesvorschlag legte sie dem Parlament allerdings nicht vor.
Instrument als zahnloser Tiger
Ein Umstand, gegen den nun die Organisatoren der Initiative "EINER VON UNS" klagen. Die Initiative, die 1,7 Millionen Unterschriften bekam, kämpft gegen die Tötung menschlicher Embryonen. Die EU-Kommission teilte den Organisatoren mit, kein Gesetz vorschlagen zu wollen, da die aktuellen Regelungen in der EU ausreichend seien. Solch eine Ablehnung, so "EINER VON UNS" vor Gericht, müsse zumindest das EU-Parlament überprüfen.
Carsten Berg, einer der Aktivisten, der schon lange für die europäische Bürgerinitiative kämpft, weiß, dass dieses Instrument vielen als zahnloser Tiger erscheint. Wichtig sei, dass das "was die Bürger wollen, auch irgendwann mal umgesetzt wird. Das ist der entscheidende Punkt, dieses Instrument richtig effektiv und demokratisch zu machen."
Etappensieg für "Minority SafePack"
"Minority SafePack" - die Initiative, die nun vor Gericht gewonnen hat - ist noch lange nicht so weit: Jetzt muss die EU-Kommission erst mal ihre Entscheidung neu begründen. Falls das für die Aktivisten negativ ausfällt, können sie wieder klagen. Gut möglich, dass das Gericht der EU die Hürden senken will. Die Richter haben immerhin schon einen Hinweis gegeben: Könnte sein, sagen sie, dass eine Initiative selbst dann registriert werden muss, wenn der Antrag teilweise unzulässig sein sollte.
Ein ganz schön bürokratischer und steiniger Weg also. Trotzdem: Durch die Klage ist "Minority SafePack" sicher bekannter geworden. Die Initiative dürfte schon jetzt ein gewisses öffentliches Bewusstsein für ihr Anliegen geschaffen haben - die Vielfalt in Europa.