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Pressefreiheit oder Propaganda? Syriens Staatsfernsehen will wieder senden

Stand: 03.05.2025 17:13 Uhr

Am 5. Mai geht das syrische Staatsfernsehen wieder auf Sendung. Der neue Kanal will "eine verlässliche Quelle" sein. Doch Experten sehen die Pressefreiheit weiterhin gefährdet - vor allem für lokale Journalisten.

Als Langzeitherrscher Baschar al Assad Ende vergangenen Jahres aus Damaskus floh, brach in Syrien eine neue Zeit an - auch für die Medien des Landes. Das Staatsfernsehen - bislang treu dem Diktator ergeben - änderte von einem Moment auf den anderen die Tonlage. Die siegreichen Islamisten besetzten den Sender, live verkündete ein Sprecher:

"Kinder unseres stolzen Volkes, die Sonne der Freiheit ist aufgegangen. Die Zeit ist gekommen, Ungerechtigkeit und Unterdrückung zu beenden. Wir rufen alle Angestellten des Staatsrundfunks auf, zurück zur Arbeit zu kommen - ihr könnt beruhigt und sicher sein. Wir vergeben euch und heißen euch willkommen."

Skepsis nach dem Regimewechsel

Doch so richtig glauben wollten das die Journalisten des Staatsfernsehens offenbar nicht. Jahrzehntelang hatte der Sender Assad gepriesen, war Sprachrohr im Interesse des syrischen Regimes. Dementsprechend besorgt waren die Mitarbeiter nach Assads Sturz, als im Eingangsbereich des Medienhauses auf einmal das Porträt des Diktators zerrissen auf dem Boden lag und alles, woran sie bislang glauben mussten, infrage gestellt wurde.

 "Ich habe ein bitteres Gefühl seit gestern", so Sendermitarbeiter Anas unmittelbar nach dem Sturz. "Wir senden jetzt nicht mehr. Sie sagen, neue Leute würden kommen und es sollten neue Studios mit neuen Gedanken und Ideologien kommen. Diese Phase braucht ein anderes Denken als das davor."

Ein anderes Denken - das nicht über Nacht entsteht. Nachdem erste Verlautbarungen der neuen Machthaber Syrien im Staatsfernsehen übertragen werden, stellt der Sender vorerst seinen Betrieb ein.

Sendestart für Syrischen Nachrichten Kanal

Nun, ein knappes halbes Jahr später, soll wieder gesendet werden: Das Staatsfernsehen heißt jetzt Syrischer Nachrichten Kanal und soll laut einer Stellungnahme des Direktors "dynamisch, effizient und professionell" berichten. Trotz aller Schwierigkeit mit veralteter Technik sei es gelungen, mit frischem Personal ein neues Medium zu schaffen, dass "eine verlässliche Quelle für Informationen werden soll".

Hier beginnt die Geschichte. Ein neues Medium entsteht aus der Herausforderung. Am 5. Mai um 5 Uhr soll es wieder losgehen mit dem Sendebetrieb und man verspricht den Zuschauern großes Nachrichtenkino: "Hinter jeder Nachricht steckt unermüdlicher Einsatz. Wir zeigen Ihnen Programme, die Fenster zum Dialog öffnen und die Stimme der Straße mit absoluter Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit vermitteln. Bald treffen wir uns auf dem Bildschirm des Syrischen Nachrichten Kanals, wo Wahrheit nicht nur ein Wort ist, sondern ein Versprechen, das wir einlösen."

Pressefreiheit immer noch als massiv gefährdet

Große Worte - doch allzu viel dürfe man nicht erwarten, sagt Naila Hamdy, Professorin für Journalistik an der American University in Kairo: "Ich hasse es, pessimistisch zu sein, aber leider haben wir schon oft nach Umbrüchen in der Region erlebt, dass das Staatsfernsehen weiterhin nur das Ziel hat, dem Regime zu gefallen." Sie erwarte das auch in Syrien. "Das Staatsfernsehen ist die direkte Stimme der jeweiligen Regierung oder Regimes."

Also die gleiche Propaganda wie vorher - nur mit anderen Gesichtern? "Ein Staatsfernsehen ist immer eine symbolische Macht und so können wir erwarten, dass es die gleiche Propaganda wie vorher wird, nur in neuem Gewand", sagt Christopher Resch von der Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen.

Resch sieht die Pressefreiheit in Syrien immer noch als massiv gefährdet an: "Da ist zum einen die Sicherheitslage, es ist immer noch unglaublich gefährlich, als Journalist in Syrien zu arbeiten", sagt Resch. Zum anderen sei das der Prozess zur Übergangsverfassung, in der die Pressefreiheit festgeschrieben ist. "Aber das war auch schon unter Assad so, das muss sich erst in der Realität bewähren." Aktuell sei die Lage für Journalisten in Syrien immer noch düster.

Auf der neusten Rangliste der Pressefreiheit verbessert sich Syrien nur minimal - vom vorletzten Platz auf den viertletzten von 180 Ländern. Das hat mit dem Bewertungszeitraum zu tun (für die Rangliste wurden Daten aus dem Jahr 2024 ausgewertet) und mit dem Umgang mit lokalen Journalisten.

Internationale Journalisten wurden willkommen geheißen

Internationale Journalisten dagegen erleben seit Assad Sturz ein neues, freies Syrien: Statt - wie unter Assad üblich - monatelange Visumsprozeduren zu durchstehen, um dann als Journalist kurz vor Einreise abgeschmettert zu werden, durften Reporter ab Dezember problemlos aus Syrien berichten. Journalisten aus der ganzen Welt stapfen nach Assads Sturz ins Medienhaus des Staatsfernsehens - um dort von einem Presseoffizier der HTS-Miliz begrüßt zu werden. Man dürfte sich als Reporter frei bewegen, hieß es vom Medienoffizier lächelnd. Und er fügte hinzu: "Willkommen im neuen Syrien".

Aber auch das sei Teil einer Propaganda, warnt Resch von Reporter ohne Grenzen. Er beobachte, dass internationale Journalisten fast hofiert werden. "Aber gerade solche autoritären Regimes wollen sich ein gutes Image geben und gerade Ahmed al-Scharaa, der Übergangspräsident, hat ja ein ganz eigenes Interesse, das Image als Islamist abzustreifen und sich als weltoffen zu präsentieren." Da gehöre die Pressefreiheit als fundamentales Grundrecht auch dazu.

Die Realität für lokale Journalisten sehe völlig anders aus - für sie seien die Arbeitsbedingungen nach wie vor äußerst schwierig. Dazu komme, so auch Journalistik-Professorin Hamdy, dass viele syrische Journalisten nach Jahrzehnten der Unterdrückung Schulungen für eine professionelle Berichterstattung bräuchten.

Internet als beste unabhängigere Informationsquelle?

Vorerst bleibe für viele Syrerinnen und Syrer das Internet als beste Möglichkeit, sich zu informieren: "Was ist eine verlässliche Information?", fragt Hamdy. Es gebe viele Quellen, arabische Sender wie wie Al Jazeera und Al-Hadath. "Und Social Media natürlich, das ist eine rohe, unabhängigere Quelle für Information, TikTok zum Beispiel liefert viele Informationen, verlässlich oder nicht." Den Syrern bleibe nichts anderes übrig, als so viele Informationen wie möglich zu sammeln und selbst zu entscheiden, was sie vertrauenswürdig finden und was nicht.

Reporter ohne Grenzen fordert von neuem Regime vor allem eines: Aufarbeitung. Rund 300 Journalisten sind in den vergangenen Jahren in Syrien getötet worden. Das betreffe nicht nur die alte syrische Regierung mit ihren russischen Verbündeten, sondern auch die sich jetzt an der Macht befindende HTS, so Resch von Reporter ohne Grenzen. "Wenn wir da einen Fortschritt sehen, und das ist wirklich unsere Kernforderung, dann wäre das wirklich ein Signal." Es gebe eine "grassierende Straflosigkeit", und es gehe auch um Verantwortlichkeiten, so Resch. "Da muss auch die HTS sich öffnen."

Alles andere als frei

Auch für Journalistik-Professorin Hamdy gehe es nicht darum, nur ein neues Staatsfernsehen zu starten. "Es geht um Trainings, um Gesetze und die Verfassung, Pressefreiheit muss wirklich garantiert werden." Journalisten müssten die Möglichkeit bekommen, sich selbst zu organisieren, in Gewerkschaften und Verbänden - und ohne Kontrolle der Regierung.

Bislang sind Journalisten auch ein knappes halbes Jahr nach dem Sturz von Assad in Syrien alles andere als frei - auch wenn das neue Staatsfernsehen vielleicht etwas anderes verspricht.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 03. Mai 2025 um 17:14 Uhr.