Iran nach Raisis Tod Staatstrauer und Schadenfreude
Nach dem Tod von Staatspräsident Raisi ist die Stimmung im Iran so gespalten wie das Land selbst. Während die einen beten und weinen, herrscht bei vielen anderen eher Schadenfreude.
Am Flughafen von Teheran ertönen Trauergebete in Dauerschleife aus den Lautsprechern. Am regen Betrieb ändert das nichts, kaum ein Passagier hält inne oder stimmt gar in den Gesang mit ein. Zwei junge Frauen, eine davon ohne Kopftuch, verdrehen genervt die Augen, als sie die Passkontrolle passiert haben und die Rolltreppe hinab zur Gepäckabfertigung nehmen.
Dort hängt ein großes Plakat, auf dem die Männer zu sehen sind, die am Sonntag bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kamen - allen voran Staatspräsident Ebrahim Raisi. Sie alle wurden nun zu Märtyrern erklärt.
Menschen nehmen an einer Trauerfeier für die Opfer des Hubschrauberabsturzes in Täbris (Iran) teil, bei dem Raisi ums Leben kam.
Schadenfreude oder Scham
Raisis ultra-konservative Regierung schränkte die Rechte von Frauen in den letzten Jahren vermehrt ein, pochte auf noch strengere Kleidervorschriften und schlug in der Folge die Frau-Leben-Freiheit-Proteste im Herbst 2022 blutig nieder. Beliebt war Raisi bei dieser Generation, die mehrheitlich nach Freiheit und Selbstbestimmung strebt, folglich nicht - im Gegenteil. Den Älteren war er zudem als führender Staatsanwalt im Gedächtnis, der in den 1980er-Jahren Tausende Oppositionelle und Kritiker hinrichten ließ.
Schadenfreude, wenn man es so nennen kann, herrscht dieser Tage bei vielen Iranerinnen und Iranern. "Wir wollen die Mullahs stürzen sehen. An abstürzen hatten wir gar nicht gedacht", schreibt ein anonymer User in dem Sozialen Netzwerk Instagram. Manche Menschen schämen sich zugleich für ein nicht vorhandenes Mitgefühl, schreiben sie, begründen das mit dem Vorgehen des Regimes gegen die eigene Bevölkerung.
Land ist gespalten
Dessen Anhänger sehen das ganz anders. "Raisi war sehr mitfühlend", sagt eine Frau im schwarzen Tschador, dem Ganzkörperschleier der Ultra-Konservativen, während eines Gebets in der Teheraner Innenstadt. "Er diente den Menschen, um ihre Probleme zu lösen." Einige umstehende Frauen wischen sich Tränen aus dem Gesicht.
Die Meinungen über Raisi, der in diesem Fall sinnbildlich für die Islamische Republik steht, könnten also nicht unterschiedlicher sein und zeigen die Spaltung innerhalb des Irans deutlich.
Repräsentative Umfragen gibt es in einem autokratisch geführten Land wie der Islamischen Republik nicht, es kursieren nur vage Schätzungen, von Umfrageinstituten aus dem Ausland. Darin heißt es oft, nur etwa 20 Prozent würden das System unterstützen. Oft gelten Wahlbeteiligungen als Indikatoren, auch die sinken seit Jahren kontinuierlich.
Kein Kurswechsel zu erwarten
Für die Führung im Land unter Ayatollah Chamenei wird das nun in den kommenden Wochen die wohl größte Herausforderung sein: Wähler mobilisieren. Denn Ende Juni soll die Neuwahl rund um das Präsidentenamt stattfinden. Ein Prozess, der streng reglementiert ist. Ein erzkonservatives Gremium, der sogenannte Wächterrat, prüft mögliche Kandidaten auf islamische Konformität, Frauen sind grundsätzlich ausgeschlossen. Ein Kurswechsel ist demnach nicht zu erwarten.
Bei den Parlamentswahlen Anfang März dieses Jahres war bei vielen Iranerinnen und Iranern die Motivation teilzunehmen extrem niedrig. "Eine Show", war die weitverbreitete Meinung über die Wahl, offiziell lag die Beteiligung nur bei knapp über 40 Prozent. Nachprüfbar ist diese Zahl nicht, viele Beobachter schätzen die tatsächliche Beteiligung aber niedriger ein.
In den letzten Jahren hatte die Regierung zudem immer mehr Menschen aus der Unterschicht verloren, ehemals die soziale Basis, da die Wirtschaftskrise immer massivere Ausmaße angenommen hatte und die Wut auf die Politik auch bei denjenigen immer mehr stieg, denen es primär nicht um mehr Demokratie ging.
Ungünstiges Wetter und ein alter Helikopter
Indessen wird zu den Ursachen des Hubschrauberabsturzes am Sonntag weiter ermittelt. Bisher stehen schlechte Witterung, Starkregen und Nebel im Vordergrund sowie der veraltete Helikopter aus den 1970er-Jahren, mit dem Raisi und seine Begleiter unterwegs waren. Auf Grund westlicher Sanktionen stammt ein Großteil der Luftwaffe aus der Zeit vor der Islamischen Republik, immer wieder kommt es zu Unfällen.
Bis Freitag herrscht im Iran nun offiziell Staatstrauer, am Mittwoch wird es in der der Hauptstadt Zeremonien und Trauerfeierlichkeiten geben, ehe Raisi am Donnerstagabend in seiner Heimatstadt Mashad beigesetzt werden soll.
Erwartet werden dazu auch Staatsgäste aus dem Ausland, wer, ist bisher nicht klar. Offiziell kondoliert hatten unter anderem die Türkei, Pakistan und Russland. Der Erzfeind des Regimes, die USA, veröffentlichten ein zurückhaltendes Kondolenzschreiben, in dem am Ende auf die fehlende Einhaltung der Menschenrechte im Iran verwiesen wurde.