Krieg in Nahost Wie sehr ist die Hamas in Bedrängnis?
Israels Verteidigungsminister ist überzeugt, dass der Norden des Gazastreifens bald unter Kontrolle der Armee ist. Doch die Hamas ist längst nicht militärisch besiegt, geschweige denn sind ihre Strukturen zerstört.
Das Nasser-Krankenhaus in Chan Yunis: Ein Video der Weltgesundheitsorganisation zeigt, wie sich Menschen vor der Notaufnahme drängen. Im Krankenhaus stehen die Menschen Schlange. Patienten liegen auf den Fluren in Betten.
Der Arzt Muhammad Ahmed Al-Qudra versucht, ihnen zu helfen. "Es kommen viele Schwerverletzte zu uns. Amputationen, neurochirurgische Eingriffe, allgemeine Operationen - vor allem in den letzten vier Tagen", sagt er.
"Wir haben viele Fälle zur Operation ins Europäische Krankenhaus verlegt. Die überwiegende Mehrheit davon sind Frauen, Kinder und ältere Menschen." Patienten mit leichten Verletzungen nähmen sie gar nicht auf. Die Situation sei schlecht, meint Al-Qudra.
Wie die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen berichtet, sieht es in den anderen Krankenhäusern der Region ähnlich aus. Seit die israelische Armee ihre Angriffe im Süden des Gazastreifens intensiviert hat, registrieren die Krankenhäuser einen starken Zulauf.
Gallant: "Bald Zusammenbruch der Stadt Gaza"
Die israelische Armee versucht weiter, die Terrororganisation Hamas militärisch in die Enge zu treiben. Satellitenbilder zeigen Panzer und andere gepanzerte Fahrzeuge in der Nähe von Chan Yunis.
Der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant sieht das Militär auf einem guten Weg, wie er in einem Video in den sozialen Medien erklärt: "Nach der Wiederaufnahme der Kämpfe ist die Armee in Höchstform. Ich möchte den Truppen, die den Druck auf die Terroristen erhöht haben, meinen Respekt aussprechen."
Die Handlungen, die jetzt im Norden des Gazastreifens stattfinden, würden bald den Zusammenbruch der ganzen Stadt Gaza und des Nordens des Gazastreifens herbeiführen, so Gallant. Die Armee habe jetzt zudem begonnen, im Süden vorzugehen.
Raketenbeschuss auf Israel wohl aus Süd-Gaza
Im Norden des Gazastreifens haben die Soldaten Dschabalia umstellt und dringen tiefer in das Viertel vor. Ein Ziel ist das dortige Sicherheitshauptquartier der Hamas. Von einer vollständigen Kontrolle über den Norden des Gazastreifens scheint die Armee nach wie vor weit entfernt zu sein.
Radikale Palästinenser sind außerdem weiter in der Lage, Raketen auf Israel abzufeuern. Die Geschosse erreichen mittlerweile seltener den Großraum Tel Aviv, dafür heulen im Süden Israels immer wieder die Sirenen. Das spricht dafür, dass die Raketen eher aus dem südlichen Teil des Gazastreifens abgefeuert werden.
"Hamas nicht aus Gleichgewicht gebracht"
Trotzdem ist die Hamas längst nicht am Boden, sagt der frühere Regierungsberater Israels, Alon Eviatar, im israelischen Radio: "Die Hamas ist entschlossen, den Kampf weiterzuführen. Es ist eine Art persönlicher Überlebenskampf oder auch ein Überlebenskampf der Bewegung insgesamt."
Eviatar sagt, Israel habe die Hamas noch nicht aus ihrem Gleichgewicht gebracht. "Ich würde sagen, dass uns noch viele Brocken bevorstehen. Der Kampf, den die Hamas dort führt, ist die komplette Verwirklichung des Begriffes Märtyrertod."
Zerstörung der Hamas bleibt Kriegsziel
Militärisch mag der Kampf langfristig zwar aussichtslos sein, aber die Hamas kann der israelischen Armee immer noch Verluste zufügen. Für die israelische Regierung bleibt es das Kriegsziel, die Hamas zu zerstören.
Ein Schlüssel dafür ist das Tunnelsystem der Terrororganisation. Wie das "Wall Street Journal" berichtet, hat Israel Pläne, die Tunnel mit Meerwasser zu fluten. Die Zeitung beruft sich dabei auf US-Beamte.
Von der israelischen Armee heißt es zu dem Bericht, sie arbeite auf unterschiedliche Weise daran, die terroristischen Fähigkeiten der Hamas zu zerschlagen. Dabei setze sie verschiedene militärische und technologische Mittel ein. Bisher hat die Armee nach eigenen Angaben 800 Tunnelschächte entdeckt. Etwa 500 davon will sie mittlerweile zerstört haben.