Tod von Prediger Welche Rolle Gülen für die Türkei spielte
Von Erdogan verachtet, im Exil immer mächtiger: Über das Leben des verstorbenen Predigers Fethullah Gülen gibt es verschiedene Erzählungen. Nun dürfte ein Kampf um Macht und Vermögen aufflammen.
Für den Präsidenten der Türkei, Recep Tayyip Erdogan, war Fethullah Gülen eine Hassfigur. Der nämlich - da sind sich Erdogan und seine Regierung sicher - stand hinter dem Putschversuch in der Türkei 2016. Die ganze Gülen-Bewegung gilt in der Türkei als Terrororganisation, die überall bekämpft werden müsse.
Beharrlich drang Erdogan immer wieder darauf, dass die USA Gülen ausliefern. Dort lebte er seit 1999. "Wir werden bis ans Ende da dranbleiben. Ich denke, die USA dürfen nicht zu einem Zufluchtsort oder einer Brutstätte der Gülen-Bewegung werden. Wie bekannt, flüchten sich viele von denen in die USA", sagte der türkische Präsident vor einigen Jahren. "Und in Europa ist Deutschland der wichtigste Zufluchtsort der Bewegung."
Gülen wurde immer mächtiger
Dabei sollen sich Erdogan und Gülen einst nahegestanden haben. Gülen stellte das als übertrieben dar. In einem ZDF-Interview 2016 sagte er: "Zunächst einmal kann man nicht sagen, dass ich eine enge Beziehung zu Erdogan hatte. Ich glaube, er hat mich einmal in meinem Leben besucht, als er Bürgermeister war. Ich habe ihn auch besucht. Ich weiß nicht, ob er mir eine Tasse Tee angeboten hat oder nicht. Das zweite Mal, als er zu mir kam, war, als er eine Partei gründen wollte."
Mit seiner Partei AKP kam Erdogan Anfang der 2000er-Jahre an die Macht. Die Rede ist von einem in der Folge informellen Bündnis mit Gülens Bewegung. Sie habe dabei geholfen, den von Kemalisten geprägten Regierungsapparat umzubauen. Vor den Kemalisten war Gülen quasi geflohen.
1999 hatte er sich in die USA abgesetzt, offiziell wegen einer medizinischen Behandlung. Kurz zuvor hatte Gülen seine Anhänger angeblich dazu aufgerufen, nach und nach die Kontrolle im Staat zu übernehmen. Unter der AKP wurde ein Prozess gegen ihn zwar fallen gelassen, doch Gülen kehrte nicht zurück. Stattdessen wurde seine Bewegung, andere sagen Sekte oder gar Unternehmenskonglomerat, immer größer - und Gülen somit mächtiger.
Kampf um Macht und Vermögen
2016 kam es in der Türkei zum Putschversuch mit etwa 250 Toten. Gülen bestritt, dass er der Drahtzieher war. Doch in der Türkei wurden die Bewegung und ihre Anhänger verfolgt. Von den USA aus baute Gülen weiter an seinem Geflecht aus Medienunternehmen und Bildungseinrichtungen. In mehr als 100 Ländern ist die Bewegung aktiv.
Nach Gülens Tod dürfte der Kampf um Macht und Vermögen, der schon lange schwelt, aufflammen. Zerschlagen werden die USA die Bewegung nicht, meinen Beobachter in der Türkei. Sie könnte nützlich sein als Stachel im Fleisch der Regierung von Erdogan, meint der Gülen-Kenner und Journalist Gürbüz Evren im türkischen Fernsehen.
"Wir haben es mit einer Organisation zu tun, die sich nicht nur in der Türkei, sondern auch in Afrika, Europa und Asien eingenistet hat", sagte er dort. Das mache diese Organisation aus Sicht der USA zu wertvoll, als dass man sie aufgeben könne. "Im Gegenteil: Man wird sie weiter stärken wollen, sodass, wann immer es Probleme mit der Türkei gibt, sie als Trumpfkarte, als Druckmittel eingesetzt werden kann."