Xi Jinping  schüttelt die Hand mit  König Sultan Ibrahim.

China reagiert auf US-Zölle Xis Handelsoffensive in Südostasien

Stand: 16.04.2025 11:37 Uhr

Im Handelskrieg mit den USA versucht Chinas Staatschef Xi, mit einem Besuch in Ländern Südostasiens neue Koalitionen zu schließen. Vor allem in Vietnam wächst die Sorge, zwischen die Fronten zu geraten.

Von Jennifer Johnston und Uwe Schwering, ARD Singapur

Fünf Tage, drei Länder, eine Mission: Chinas Staatschef Xi Jinping will Allianzen stärken im Zollstreit und Handelskrieg mit den USA - auf einer Tour durch Südostasien mit Stopps in Vietnam, Malaysia und Kambodscha. Seinen vietnamesischen Gastgebern teilte der Mann aus Peking schon vor Ankunft in einem Gastartikel im staatlichen Nachrichtenorgan mit: "Handelskriege und Zölle kennen keine Sieger, und Protektionismus ist kein Ausweg."

Jennifer Johnston, ARD Singapur, zzt. Hanoi/Vietnam, über Sorgen Südostasiens wegen US-Zöllen

tagesschau24, 16.04.2025 11:00 Uhr

Dass China selbst sich auch gut auf Protektionismus versteht, verschwieg Xi. Beispiel Deutschland: Nach Angaben der bundeseigenen Agentur Germany Trade and Invest betragen chinesische Zölle und andere Einfuhrabgaben im Maschinen- und Anlagenbau meist zwischen fünf und 20 Prozent, bei Pkw sind es 15 Prozent.

In Washington hatte der US-Präsident auch gleich eine markige Antwort parat zu Xis Offensive. Das Treffen in Hanoi diene dazu "herauszufinden, wie können wir die Vereinigten Staaten von Amerika abzocken", so Donald Trump vor Reportern im Weißen Haus.

Textilhersteller in Vietnam geraten unter Druck

Doch abgezockt fühlen sich gerade auch viele vietnamesische Unternehmer, wie Than Duc Viet. Er ist Geschäftsführer der Garment 10 Corporation, einem der führenden Textilherstellern des Landes. In den Fabriken in Vietnam nähen Tausende Arbeiterinnen Hemden für amerikanische Modemarken. Ungefähr die Hälfte ihrer Exporte gehen in die USA - etwa in die Filialen von Abercrombie & Fitch, Calvin Klein und Banana Republic.

Than Duc Viet umgeben von Näherinnen

Zeit der Unsicherheit: Than Duc Viet, hier in einer Nähfabrik, ist Geschäftsführer eines der größten Textilunternehmen Vietnams.

Nach der ersten Zollankündigung Anfang des Monats klingelte bei Geschäftsführer Than ununterbrochen das Telefon. "Unsere Kunden waren sehr besorgt, sie wollten, dass wir unsere Produktion, unsere Lieferungen, den Kauf von Rohmaterial einstellen." Für ihn und die Mitarbeitenden eine Zeit der Unsicherheit.

Xi will chinesischen Einfluss geltend machen

Xi Jinping hat seine Reisezeit also gut gewählt. Trump hat Vietnam Anfang April Zölle in Höhe von 46 Prozent angedroht. Kambodscha soll es mit 49 Prozent noch härter treffen. Und Malaysia hat den Vorsitz der ASEAN-Gruppe, einer Organisation zehn südostasiatischer Nationen mit dem Ziel eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes nach dem Vorbild der EU. In dieser Funktion muss Malaysia eine gemeinsame Antwort auf die US-Zollmaßnahmen koordinieren und vertreten.

Da schaut Xi im Vorfeld gerne nochmal persönlich vorbei, um seinen Einfluss geltend und Angebote zu machen. In Hanoi plädierte er für engere Handelsbeziehungen zwischen China und Vietnam. Parallel wurden Dutzende Kooperationsvereinbarungen zwischen den beiden kommunistisch geführten Ländern unterzeichnet, unter anderem bei Lieferketten, 5G und Künstlicher Intelligenz, im Agrarhandel und Schienenverkehr. Auch chinesische Passagiermaschinen sollen bald in Vietnam unterwegs sein.

ASEAN-Staaten in der Zwickmühle

Die Lage für die aufstrebenden Staaten Südostasiens ist verzwickt. Sie wollen sowohl gute Beziehungen mit den USA als auch mit China. Der große kommunistische Nachbar ist der wichtigste Handelspartner der ASEAN-Staaten, ihr größter Exportmarkt.

Umgekehrt erwirtschaftet China knapp ein Fünftel seiner Handelsbilanz in Südostasien. Doch hier fürchtet man sich nun vor einer Flut von Gütern und Billigprodukten. Denn all die chinesischen Waren, ursprünglich für den US-Export bestimmt, müssen nun irgendwo anders hin. China ist abhängig vom Export - als Kompensation für die schwächelnde Nachfrage im eigenen Land.

Regierung in Hanoi geht auf USA zu

Gleichzeitig steht ASEAN vor zähen Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten über die angekündigten und zwischenzeitlich für 90 Tage ausgesetzten Zölle. Denn ohne den US-Markt geht es auch nicht. Vietnam hat bereits angeboten, seine Importzölle auf US-Waren auf null zu senken, sollten sich die beiden Länder einigen.

Die Regierung in Hanoi versucht zudem, mit Flüssiggas- und Flugzeugkäufen aus den USA einen Deal zustande zu bringen und hat SpaceX eine Ausnahmegenehmigung für den Betrieb seiner Starlink-Satelliten gegeben. Teils Maßnahmen, die die vietnamesische Regierung schon vor der Zollbekanntmachung initiiert hatte, die ihr am Ende aber doch nicht geholfen haben.

Vietnam profitierte von Trumps erster Amtszeit

Denn die Regierungen von Hanoi bis Bangkok, von Jakarta bis Phnom Penh verzeichnen ein milliardenschweres Handelsbilanzplus - was Trump bekanntlich die Zornesröte ins Gesicht treibt. Vietnam hat sogar im weltweiten Vergleich den dritthöchsten Handelsbilanzüberschuss mit den USA. Das heißt, Vietnam exportiert deutlich mehr in die USA, als es von dort einkauft.

Das liegt unter anderem daran, dass viele internationale, aber insbesondere chinesische Firmen ihre Produktion in Trumps erster Amtszeit nach Vietnam verlagert haben, um schon damals gegen China verhängte Zölle zu umgehen. Vietnam war so der größte Profiteur der ersten Amtszeit Trumps. Das sieht dieses Mal ganz anders aus. Wie also ökonomisch möglichst viel aus den Gesprächen mit den USA und China herausholen, ohne zwischen die Fronten der Großen zu geraten?

Auseinandersetzungen mit chinesischer Küstenwache

Ein Balanceakt, nur noch verkompliziert durch geostrategische Verwerfungen im Südchinesischen Meer. Länder wie Malaysia, Indonesien, Brunei, die Philippinen und Vietnam beanspruchen zum Teil dieselben Seegebiete und Inseln wie China.

Es geht um die Kontrolle von Seewegen, um Fischgründe und Bodenschätze. Schon häufiger kam es zu Scharmützeln mit der chinesischen Küstenwache. Experten halten selbst einen militärischen Konflikt nicht mehr für ausgeschlossen. Bislang suchen die Länder Südostasiens in dieser Frage die Nähe der USA, der einzigen Macht, die Peking Paroli bieten kann - sehr zum Missfallen Chinas.

Trumps 90-Tage-Frist nutzen

Geschäftsführer Than hofft, dass die vietnamesische und die US-Regierung sich in ihren Verhandlungen einig werden und die Zölle sinken. Die 90-Tage-Frist will er nutzen, um sich vorausschauend umzuhören. Schon jetzt arbeitet die Firma viel mit deutschen Unternehmen zusammen wie etwa Seidensticker, Tom Tailor und Joop. 30 Prozent der Exporte gehen nach Europa. Diese Zusammenarbeit möchte der Geschäftsführer ausbauen, ebenso mit Korea, Australien und Indien.

Gerade hat sich eine große japanische Modekette bei ihm mit einem Großauftrag gemeldet. Er wurde auch von einer chinesischen Firma kontaktiert. Die will ihre Produktion aus China nach Vietnam verlagern, um die hohen Zölle zu umgehen.

Die USA achten inzwischen penibel darauf, welche Arbeitsschritte in Vietnam erfolgen, damit chinesische Produkte nicht fälschlicherweise mit "Made in Vietnam" gekennzeichnet werden. Doch aktuell sind seine Fabriken, in denen 12.000 Näherinnen arbeiten, voll ausgelastet. Der Vorlauf für eine neue Produktlinie brauche mindestens drei Monate.

Der chinesische Staatspräsident Xi setzt derweil seine Tour durch Südostasien fort. Er ist inzwischen in Malaysia eingetroffen, seine Rundreise endet am Freitag in Kambodscha.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 16. April 2025 um 11:30 Uhr.