Zivile Opfer im Libanon Beiruts Klinik der verbrannten Kinder
In einem Krankenhaus in Libanons Hauptstadt Beirut werden unschuldige Opfer israelischer Angriffe behandelt: Zivilisten mit massiven Verbrennungen, darunter viele Kinder. Es herrschen Verzweiflung und Wut.
Ende September, als die israelische Luftwaffe erste Angriffe auf Beirut und den Südlibanon flog, wendete sich Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu direkt ans libanesische Volk: "Wir führen diesen Krieg nicht gegen euch", sagte er, "wir führen ihn gegen die Hisbollah". Jede Mutter, jeder Vater solle jetzt aufstehen gegen die Schiitenmiliz, "tut es zum Wohl eurer Kinder".
Auf der Intensivstation von Beiruts Allgemeinem Geitawi-Krankenhaus sitzen dieser Tage Mütter und Väter, die anderes zu tun haben, als den Aufstand gegen die Hisbollah zu proben. Sie kümmern sich um ihre schwer verwundeten Kinder - tagelang, nächtelang. Monitore zeigen sinusförmige Kurven an, Alarmtöne piepen, immer wieder schauen Ärzte und Schwestern vorbei.
"Es macht mich so wütend"
"Wissen sie, ich kann nicht mehr über Politik reden", sagt Ziad Suleimani, der Chefarzt auf der Intensivstation. "Ich kann das alles gar nicht mehr hören. Es macht mich so wütend, wenn ich diese Kinder hier sehe, so schwer verbrannt, oft die Hälfte ihres Körpers. Ich will nur, dass sie so bald wie möglich wieder in ein normales Leben zurückkehren können."
Aber es gibt kein normales Leben mehr in diesem Land. Der Gaza-Krieg, den die Hamas vor einem Jahr mit ihrem grauenhaften Massaker an Israelis provozierte, ist auf den Libanon übergesprungen. Monatelang hatte die schiitische Hisbollah-Miliz aus Solidarität mit der Hamas vom Südlibanon aus nordisraelisches Grenzland beschossen. Seit Ende September schlägt Israel mit der Wucht einer hochmodernen Kriegsmaschine zurück.
Angriffe auf die Hisbollah treffen auch Zivilisten
Grenznahe schiitische Dörfer im Südlibanon werden in Grund und Boden gebombt, dicht besiedelte Stadtviertel im Süden Beiruts mit Raketen und Drohnen beschossen. Es sind gezielte, oft auch erfolgreiche Angriffe auf Kommandeure und Funktionsträger der Hisbollah. Doch es trifft auch diejenigen, die nichts mit all dem zu tun haben.
"Das Mädchen da", sagt Chefarzt Ziad und zeigt auf ein winziges, in weiße Verbände gepacktes Menschenbündel. "Sie wurde von einer Bombe getroffen, die Hälfte ihres Körpers ist verbrannt." Das Mädchen sei nicht einmal zwei Jahre alt und schwer verletzt, täglich müssten die Wundverbände gewechselt werden. "Aber ich glaube, sie wird überleben", hofft er.
"Die Bombe kam wie aus dem Nichts"
Neben dem Bett sitzt eine verschleierte Frau, müde, erschöpft von durchwachten Nächten und der panischen Flucht aus ihrem südlibanesischen Dorf. Es ist die Mutter des Mädchens.
"Meine Tochter heißt Ivana", sagt sie, "Ivana Zkayki aus Deir Kanun an Nahre. Die Bombe kam wie aus dem Nichts." Die Familie sei zu Hause gewesen, sie habe gerade das Frühstück gemacht, erinnert sich die Mutter. "Da schlug es ein, direkt vor dem Haus. Die Autos auf der Straße explodierten. Wir saßen fest. Feuer, überall Feuer, die Luft schien zu kochen." Sie habe die Kinder durchs Fenster in die Arme der Nachbarn geworfen, erzählt sie.
Erneut schwere Luftangriffe auf Beirut
127 Kinder wurden nach Angaben der libanesischen Behörden inzwischen durch israelische Bombenangriffe getötet, Hunderte verletzt. Sie zählen zu den "Kollateralschäden" dieses Kriegs, die Israels Regierung in Kauf nimmt, um - wie die Militärsprecher immer wieder erklären - Hisbollah-Führer und Kommandeure auszuschalten.
Allein in der vergangenen Nacht hat es in den südlichen Vororten Beiruts 17 schwere Luftangriffe gegeben, sechs Gebäude wurden zerstört. Auch dabei wurde ein Kind schwer verletzt.
Klinik blieb bisher von Bomben verschont
Das Geitawi-Krankenhaus liegt im christlichen Osten der libanesischen Hauptstadt, der bisher von israelischen Bomben verschont blieb. Aber auch dort ist das Gefühl von Sicherheit längst verloren gegangen, die Leute misstrauen dem blauen Herbsthimmel über Beirut. Ständig kreisen tief fliegende israelische Beobachtungsdrohnen über der Stadt, jederzeit kann es irgendwo einschlagen.
Und so füllen sich die Notfallstationen der Kliniken mit den Opfern der täglichen Bombenangriffe. Manchmal werden 20, manchmal 100 Verwundete eingeliefert. Ohne Spenden und humanitäre Hilfe aus dem Ausland könnten die Kliniken die Last dieses Krieges nicht tragen. Das Geitawi-Krankenhaus, das von christlichen Hilfswerken in Deutschland und Frankreich unterstützt wird, hat 23 Intensivbetten auf der Verbrennungsstation. "Sie sind alle belegt", sagt Ziad Suleimani. "Bei uns liegen nur Zivilisten."